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Sborník Mezery v historii 2011 - CZ

Date post: 11-Mar-2016
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Sborník Mezery v historii 2011 - CZ
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kunsthistorisches Symposium, das dem Werk deutscher und deutsch-sprachiger Künstler und Architekten, die in Böhmen, Mähren und Schlesien vor 1945 tätig waren, gewidmet ist
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kunsthistorisches Symposium, das dem Werk deutscher und deutsch-sprachiger Künstler und Architekten, die in Böhmen, Mähren und Schlesien vor 1945 tätig waren, gewidmet ist

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Titelseite: Richard Teschner, Stabpuppe Kiai Ageng aus dem Stück „Nawang Wulan“, Anonym, 1912, ÖTM Wien, aus der Begleitausstellung zum Symposium.

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Galerie výtvarného umění v ChebuOblastní galerie Liberec

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Michel Fingesten, Das Mädchen im Walde, 1922, Radierung mit der Roulette, 26,5 × 21 cm (18 × 16 cm), aus der Begleitausstellung zum Symposium.

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kunsthistorisches Symposium, das dem Werk deutscher und deutsch-sprachiger Künstler und Architekten, die in Böhmen, Mähren und Schlesien vor 1945 tätig waren, gewidmet ist

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ISBN 978-80-87395-07-3

Die Organisatoren des Symposiums:Galerie výtvarného umění v Chebu Oblastní galerie v LiberciFestival Mitte Europa

Die Kuratoren des Symposiums: Mgr. Marcel Fišer, PhD. /GAVU Cheb/ Anna Habánová, M.A. /OG Liberec/

Das Projekt wurde vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds unterstützt

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EinführungMarcel Fišer

Nach zwei Jahren wurde in Eger eine Tradition der Sym-posien erneut, die dem Werk deutscher und deutsch-sprachiger Künstler, die in Böhmen, Mähren und Schle-sien tätig waren, gewidmet ist. Der Titel der Symposien verweist auf die Ausstellung im Jahre 1994, die die Ku-ratorin Hana Rousová für die Galerie der Hauptstadt Prag vorbereitet hat und die „Lücken in der Geschichte, 1890–1938: Polemischer Geist Mitteleuropas – Deutsche, Juden, Tschechen“ hieß. Das Symposium hat dann zwi-schen den Jahren 2004–2009 die Galerie der bildenden Künste Eger veranstaltet; Kommissarin war Dr. Jana Or-líková-Brabcová. Beiträge der ersten fünf Jahre wurden in einem gleichnamigen Sammelband veröffentlicht. Das Symposium wurde 2012 in jetziger Form erneuert und es wird weiterhin wechselweise in Eger und Reichenberg stattfinden; die neuen Kommissare sind Marcel Fišer und Anna Habánová aus den zwei veranstaltenden Insti-tutionen. Zum Symposium gehört die Tradition der Aus-stellungsprojekte. Dieses Jahr war es die Retrospektive des deutschen Malers und vor allem Graphikers Michel Fingesten (1884–1943), der in Buczkowitz in Österr. Schlesien geboren wurde. Die Ausstellung wurde in Zu-sammenarbeit mit der Prager Galerie Ztichlá klika (Stil-le Klinke) organisiert. Im Format Opus Magnum, in dem ein außergewöhnliches Werk präsentiert wird, war es die Stabpuppe Kiai Ageng aus dem Stück „Nawang Wu-lan“ von Richard Teschner, die aus Sammlungen des Ös-terreichischen Theatermuseums verliehen wurde. An dem Symposium nahmen 14 Forscher teil; vier da-von kamen aus Ausland. Sie traten mit folgenden Bei-trägen auf:Mgr. Božena Vachudová (Galerie der Künste in Karlsbad / Galerie umění Karlovy Vary): Hugo UherMgr. Zbyněk Černý (Museum Eger / Muzeum Cheb): Bildhauer Johann Adolf MayerlAnna Habánová, M. A. (Regionalgalerie Reichenberg / Oblastní galerie Liberec): Oktobergruppe – Geschichte einer KunstgruppeIng. Pavel Domanický (Staatliches Institut für Denk-malpflege, Pilsen / Národní památkový ústav, územní pracoviště Plzeň): Bauten des Architekten Moritz Hin-träger in PilsenIng. Michael Rund (Museum Falkenau / Muzeum Soko-lov): Vergessener Architekt Emil RoesslerMgr. Vladimír Prokop: Franz GrussDr. Harald Tesan (Universität Passau): Die „Sudeten-deutsche Kunstausstellung“ 1931 in Nürnberg

PhDr. Jan Mohr (Das Nordböhmische Museum in Rei-chenberg / Severočeské muzeum Liberec): Architekt Otto Bartning (1883–1959)Dr. Kurt Ifkovits (Österreichisches Theatermuseum, Wien): Die Anfangsjahre von Richarda TeschnerMgr. Bronislava Rokytová (Gedenkstätte des nationalen Schrifttums, Prag / Památník národního písemnictví Praha): „Stopp das leise Flüstern!“ Antwort der tschecho-slowakischen künstlerischen Emigration auf das antre-tende Nazismus Mgr. Václav Houfek (Museum der Stadt Aussig / Muzeum města Ústí n./L.): Aussiger Denkmäler und GedenkstättenIng. Stanislav Děd (Regionalmuseum Komotau / Oblastí muzeum v Chomutově): Lois ZimmermannHans – Achaz Freiherr von Lindenfels: Egerer Maler un-ter besonderer Berücksichtigung von Norbert HochsiederDr. Wolf-Dieter Hamperl: Werke des Tirschenreuther Ma-lers Maurus Fuchs (1771–1848) in den Klostern Teplá/Tepl und Tachov/TachauManche Beiträge gingen von kürzlich veröffentlichten Arbeiten aus, andere präsentierten bislang unvollendete Forschungen, die in der Zukunft als Publikationen oder Ausstellungen abgeschlossen werden.Aus diesem Grund veröffentlichen wir laut Vereinbarung mit den Autoren nur Teile der Beiträge, die aber das Wich-tige und Bahnbrechende davon darstellen, was auf dem 2012 Symposium zu hören war.

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Richard Teschners frühe JahreKurt Ifkovits

Heute ist Richard Teschner – im Übrigen zurecht – vor allem auf Grund seines in Wien entstandenen Figuren-theaters bekannt und berühmt. Auf seine Prager Früh-zeit wird allenfalls anekdotisch verwiesen, zumeist als Beleg eines deutsch-böhmischen Künstlermilieus; oder um es bösartig zu sagen: Teschner dient als Staffage Pra-gerdeutscher Bohemezirkel in deren Mittelpunkt stets Gustav Meyrink steht. Die ohnedies spärliche Sekundär-literatur widmet sich Teschners Frühzeit kaum, und auch die Nachlasssituation ist problematisch.1

Sicher ist, daß Teschners Frühzeit von Brüchen dominiert war. Dies zeigt schon die örtliche Zerrissenheit: Geboren in Karlsbad, wuchs Teschner ab seinem 5. Lebensjahr in Leitmeritz auf, wo sein Vater Karl eine Lithographenanstalt betrieb. 1896 ging er nach Prag an die Akademie, anschlie-ßend nach Wien. Schon bezüglich seines Wiener Studiums gibt es widersprüchliche Quellen: einerseits soll er von der Akademie abgelehnt worden sein, andererseits scheinen Dokumente zu belegen, daß er offenbar die Aufnahmefrist versäumt hatte, auf jeden Fall waren die Klassen belegt; so wurde Teschner, der offenbar von den Professoren geschätzt wurde, an die Kunstgewerbeschule weiterverwiesen. Mit dem Rat, es im nächsten Jahr zu versuchen. Obwohl Te-schner in einem Brief an der sich gerade radikal reformie-renden Kunstgewerbeschule gute Chancen für sich sieht,2 muß er diese Wiener Zeit retrospektiv als Scheitern emp-funden haben, denn er kehrt nicht nach Prag, sondern nach Leitmeritz zurück, wo er im väterlichen Atelier mitarbeitet. Soviel wir wissen, fertigte er zu dieser Zeit Gebrauchsgrafik an – von Plakaten ist in einem Brief an den Egerer Bildhau-er Karl Wilfert jr. die Rede. Mit diesem ist er zu dieser Zeit auch bereits eng befreundet.Es scheint als ob Teschner dazu verdammt sei, in der Provinz im väterlichen Atelier bleiben zu müssen. Doch schließlich gelingt es ihm, über sich gerade konstituie-rende bzw. junge deutschsprachige Institutionen Fuß zu fassen. Er erhält 1902 eine Subvention des Vereins zur Förderung deutscher Kunst, Wissenschaft und Politik und geht nach Prag. In diesem Umkreis entstehen auch erste Arbeiten. Exlibri, Porträts, Veduten, Buchillustrati-onen etc. Besonders wird seine Arbeit von der von August Sauer herausgegebenen Zeitschrift Deutsche Arbeit geför-dert. – Sie war das Sprachrohr des Vereins. Das Milieu in dem sich Teschner bewegte, war, sowie rekonstruierbar, deutschsprachig, auch jüdisch. Namen, die immer wieder genannt werden sind: die Autoren Friedrich Adler, Paul Leppin, Gustav Meyrink, Oskar Wiener, aber auch der

spätere Vorsitzende der Reichsschriftumskammer für die ‚Ostmark‘, Karl Hans Strobl. Für sie und mit ihnen hat er auch gearbeitet. Nicht zu vergessen ein Pionier des Films, Rudolf Walter, der als Cocl mit seinem Partner Seff (Josef Holub) in Reichenberg die ersten österreichischen Groteskfilme drehte. Oder Gelehrte wie der Musikwis-senschafter und Librettist Richard Batka, der Archäolo-ge Wilhelm Klein, der Literaturwissenschaftler August Sauer, der Pharmakologe Wilhelm Friedrich Wiechowski sowie der Bildhauer Franz Metzner, der Prag allerdings bald Richtung Berlin verlassen hatte.Dementsprechend wird Teschner auch rezipiert: als her-vorragendes Beispiel eines deutschen Künstlers. In den Kritiken ist Teschner stets Repräsentant des Deutschen/Österreichischen in Böhmen, wobei ‚deutsch’ in einem romantischen Sinne definiert wird. – Anlässlich der 64. Jahresausstellung des Kunstvereins für Böhmen in Prag im Jahr 1903 konnte man aus der Feder des für die Pro-pagierung deutschböhmischer Kunst bedeutenden Karl Krattner folgendes lesen: „In Richard Teschner begrüßen wir ein einzigartigens Talent, uns zu schönen Hoffnungen berechtigt. Der Zug ins Märchenhafte, welcher aus seinen Radierungen und Lithographien, seinem Ölbilde, sowie aus verschiedenenen Experimenten anspricht, scheint in seiner Natur zu liegen. Es wäre zu wünschen, dass der junge Kün-stler diesem echt deutschen Zuge weiter folge.“3 Anlässlich der bedeutenden Deutschböhmischen Ausstellung in Rei-chenberg 1906 hieß es abschließend: „Die strahlende Freude über den Besuch des Kaisers und der helle Jubel, der nicht enden will, sobald von den Festtagen die rede ist, wid-erlegen am Besten die Beargwöhnung, dass das Randgebiet, von Deutschen besessen, nicht gut österreichisch sei.“4 Als „österreichisches Talent“ wurde Teschner auch von Ri-chard Batka anlässlich der Prager Aufführung von De-bussys Pelleas und Melisande bezeichnet, als „deutschös-terreichischen Künstler“ fast zur gleichen Zeit von einem Karlsbader Kritiker.5

Nebenbei bemerkt: Diese Rezeption seines Werkes als Deutschböhmisch wird für ihn nicht folgenlos bleiben. Da die Galerie Miethke sich – auch dank ihres Geschäfts-führers Hugo Haberfeld – diesbezüglich sehr engagierte, kam er in Kontakt mit ihrer Besitzerin, Emma Bacher (geborene Paulick), die 1911 seine Frau werden sollte und die ihm ein finanziell sorgenfreies Leben gestattete.

Die Reform der deutschen Künste

Richard Teschner selbst definierte sich durchaus als Deutschböhme, nicht in dem Sinn, daß bei ihm antit-schechische Ressentiments vorhanden gewesen wären,

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10Richard Teschners frühe Jahre

zumindest sind solche nicht nachweisbar, doch in dem Sinn, daß er seine künstlerische Kraft dem Deutschtum Prags zur Verfügung stellen wollte. In der Zeitschrift WIR, die Teschner gemeinsam mit Paul Leppin redi-gierte, war es erklärtes Ziel das „künstlerische und liter-arische Leben der Deutschen in Prag“ zu heben.6 Um dies in die Tat umzusetzen, plante er gemeinsam mit seinem Freund Karl Wilfert jr. auf dem Letna in dem von Josef Zasche erbauten Blauen Haus eine Deutsche Kunstaka-demie. Teschner leitete Radierkurse, Wilfert jr., Bild-hauereikurse. Institutionell eingebettet war diese Ins-titution in den Dürerbund, dessen Prager Filiale er mit Richard Batka mitbegründet hatte.7 Doch die Akademie, die analog zur Teilung in Deutsche und Tschechische Universität ein Ort der Deutschen Kunst sein hätte sol-len, scheitert.Erwähnungen von Teschners sudetendeutscher Her-kunft finden sich in der Kritik immer wieder, wobei sich

deren Akzentuierung verständlicherweise mit den po-litischen Rahmenbedingungen ändern. Während nach 1909, also nach seiner endgültigen Übersiedlung nach Wien, von Teschner stolz als von „hervorragenden Leis-tungen eines Einheimischen, der sich allerdings schon lange draußen in der großen Welt bewegt“ 8, verweist die Erwäh-nung von Teschners sudetendeutscher Herkunft 1919 beziehungsweise 1938 auf eine nationale beziehungs-weise nationalsozialistische Sichtweise. Teschner selbst wußte dies mitunter auch auszunützen. 1938 begründe-te er den Umstand, daß „die zuständigen Behörden und Persönlichkeiten“ nichts für ihn getan hätten, folgender-maßen: „[H]eute glaube ich, dass ich ihnen schon durch meine Geburt als Sudentendeutscher anrüchig war.“9

Anschluß an die internationale Moderne

Dennoch wäre es zu simplifizierend und auch falsch, Teschner als isolierten, verbohrten deutschnationalen Künstler abzutun. Denn Teschners Bekenntnis zum Deutschtum schließt nicht aus, daß er ästhetisch Teil ei-ner größeren, internationalen Bewegung war, einer von nationalen Vorgaben unabhängigen Moderne, die nati-onale Isolation per se ablehnte. Egal ob man sie Symbo-lismus, Jugendstil oder wie auch immer nennt. Wenn die bereits erwähnte Einführung zur Zeitschrift WIR „die jeweilig regierende[n] Sonderinteressen“ „und das Cli-quenwesen“ als der Entwicklung des künstlerischen und literarischen Lebens der Deutschen in Prag hinderlich benennt, so sind damit auch die nationalen Grenzzie-hungen gemeint. 10 Auch für die zeitgenössische Kritik waren Dürerbund und Klimt kein Widerspruch, wurden doch Wilfert und Teschner als Prager „Mitglieder der Wie-ner Klimtgruppe“ gesehen, die die „wertvolle Förderung des Dürerbundes für Österreich“11 erhalten hätten und derart zu dem geworden waren, was sie eben waren.

Krise der Darstellbarkeit

Ein ausgesprochenes Krisenbewußtsein kennzeichnet auch Teschners Werk, eine Krise, die auch eine der Dar-stellbarkeit wie der Sprache ist. – Auf diesem Nährbo-den sollte das Figurentheater erwachsen. Denn auch das Theater schien ihm korrumpiert. Schon um 1905 hieß es diesbezüglich: „Unsere Bühne ist eine scheußliche Misc-hung von Naturalismus falschem Pathos und Gschnas. Ich kann begreife nicht, wie man ins Theater gehen kann, noch weniger wie ein anständiger Dichter Theaterstücke schreiben kann – – Diese Lustspiele u Schauspiel[e]! Auch die Oper ist

Richard Teschner in seinem Prager Atelier am Kreuzherrenplatz.

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11Kurt Ifkovits

Das Blaue Haus in Prag, Bubentsch mit Richard Teschners Atelier.

Einladung zum Kostümfest deutscher Schriftsteller und Künstler im Wintergarten des deutschen Studentenheims in Prag. In Mephistos Zauberreich (1904).

Richard Teschner in seinem Prager Atelier im Blauen Haus.

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12Richard Teschners frühe Jahre

Der böse Zauberer (1906).

Einladung des Vereins Deutscher Schriftsteller und Künstler in Böhmen Concordia zum Fastnachtabend Harakiri (1908) mit Karikaturen von Vertretern der Prager Szene (unten, mit Laute, Richard Teschner).

Exlibris Fritz Wiechowski (1904).

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13Kurt Ifkovits

Prag-Altstadt (1907).

Das Eger Stöckl (1909).

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14Richard Teschners frühe Jahre

nichts – Wagner hat so ein paar schwache Aufsätze zu ei-nem Styl, aber wenige. und [!] nur eine Bühne jenseits der Sprache und der Menschen schien ihm Wahrhaftigkeit aus-drücken zu können.“12

Teschner war auf der Suche nach einer spezifischen theatralischen Ausdrucksform. Einem ‚künstlerischen Styl’, der es ihm ermöglichte, feinste Nuancen, Stim-mungen, psychologische Vorgänge usw. darzustellen. Kurzum: ein symbolistisches Theater wofür Hugo von Hofmannsthal (mit Der Tor und der Tod) und Maurice Maeterlinck (etwa mit Der Tod des Tintagiles) die textli-chen Vorlagen geliefert hatten. Beides Werke mit deren Darstellbarkeit sich Teschner beschäftigte und (auch) dabei zu dem Schluß kam, daß das Theater, wie es ihm vorschwebte, ein Theater ohne Worte und Menschen sein müßte. Und so experimentierte er bereits in seiner Prager Zeit mit dem Marionettentheater. – Noch aus Prag schrieb er 1906 Paul Brann, der in München eine fixe Bühne für Marionetten etabliert hatte: „Vor 2 u. 3 Jahren habe ich mich äußerst intensiv mit der Marionetten-Theateridee beschäftigt. Habe Puppen geschnitzt u. allerlei Verbesserungen ersonnen und Hintergründe mit, wie ich glaube ziemlich eigenartigen u. überraschenden optischen Wirkungen gemacht, mich überhaupt der Aufgabe unterzo-gen, eine gänzliche Neubelebung u. Neugestaltung des M. zu versuchen. Eine Zeitlang schien ich auch, als ob mein Wunsch, die Sache im großen Stil verwirklicht zusehen, in Erfüllung gieng. Der Prager Schriftsteller Meyrink bat sich mir an, die Sache mit mir auf Theilung zu machen, und auch einen Geldmann beizustellen. Ich war dann einige Zeit in Wien, habe aber dort den Eindruck gewonnen, daß man mir die Bequemlichkeiten Vortheile die ich mir unbedingt gewünscht habe, nicht bieten konnte oder wollte; so bin ich nach einigen Enttäuschungen und davon abgekommen, die Sache auf die Weise zu machen, und habe meine Liebling-sidee einstweilen beiseite gelegt.“13

Doch trotz all dieser Bemühungen – Teschner plant eine Zusammenarbeit mit Gustav Meyrink und der Wiener Werkstätte – werden diese nicht in die Tat umgesetzt und so kehrt Teschner an die konventionelle Bühne zurück. Freilich etabliert er ebenda im Prager deutsch-sprachigen Theaterraum das symbolistische Theater. Über die von ihm ausgestattete Inszenierung von Pel-leas und Melisande hieß es in einer zeitgenössischen Kritik: „Richard Teschner malte die Worte, die Töne. Der Hauptpunkt ist der; die gleiche Stimmung, Kongruenz der Künste. Das ist Teschner wundervoll gelungen.“14 Diese Arbeit wurde durchaus in den Kontext internationaler Entwicklungen gestellt, wenn seiner Arbeit konstatiert wurde, er habe damit Max Reinhardts und Alfred Rol-lers Reformbestrebungen nach Prag gebracht.15

Refugien

Für die internationale Moderne um 1900 charakteristi-sche Motive und Genres der Abschließung, als Refugium gegen die banal empfundene Wirklichkeit finden sich auch bei Teschner: etwa der Park, der Brunnen, der Monopte-ros. Das Märchenhafte, das Groteske im Werk Teschners als Gegenentwurf zur realistischen Darstellungsweise wird unisono bereits von den frühen Kritikern erkannt. „Dieser groteske Märchenton bleibt Teschner treu, auch wo er Wirklichkeit und Gegenständliches zu geben scheint.“16

Die Übereinstimmung mit der internationalen Entwick-lung geht bis hin zu propagierten Lebensformen als Ge-genentwurf zur bürgerlichen Gesellschaft. Biedermeier-liche Bildwelten tauchen nicht nur in Teschners Werk auf, er selbst stilisierte sich – wie wir überlieferten Fotos ent-nehmen können – vor 1914 zu einer Art Biedermeierfigur. Schon 1905 spricht man von Teschners „Neigung zum Bie-dermeiertum, jener Zeit des stillbeschaulichen Behagens“.17

Reklameplakat für einen Radierkurs, geleitet von R. Teschner (1906).

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15Kurt Ifkovits

Deutsche Scholle Bundeskarte Nr. 8, vom Dürerbund ausgezeichnet mit dem 1. Preis.„Bohemia“ Wandkalender auf das Jahr 1909 (1908).

Damit stand er durchaus in der Tradition seiner Zeit, man denke etwa an Heinrich Vogeler oder überhaupt den Münchner Kreis um die Zeitschrift Die Insel. Insofern wundert es nicht, wenn Hugo Haberfeld, der feinsinni-ge Kunstkritiker in Teschner „ein[en] Prager Ausläufer der europäischen Biedermeier-Renaissance“ sah und einen in-ternationalen Bogen zu dem Russen Konstantin Somoff, den Deutschen Marcus Behmer und Thomas Theodor Hei-ne sowie den Tschechen Hanuš Schwaiger spannt.18

Weitere Praktiken des Exotismus waren Okkultismus, Anthroposophie oder der Japonismus. Teschners Natu-rell entsprechend, werden diese Bewegungen und Strö-mungen durchaus spielerisch variiert, überformt, verän-dert; heute würde man vielleicht sogar sagen können: in einem postmodernen Sinn gebraucht.

Die Erforschung des Selbst

Auch findet sich das Thema der Selbstvergewisserung und Selbsterforschung bis zuletzt als roter Faden im Werk Teschners. Selbstdarstellungen begleiten das ge-samte Werk, auch in den verschiedensten Spielarten: vom konventionell-akademischen Selbstporträt in Öl beziehungsweise Tempera über graphische Blätter bis hin zur entlarvenden Selbstkarikatur. Auch damit reiht sich Teschner in die internationale Thematik ein, ist doch die Frage der Selbsterforschung, wie Otto Urban zuletzt zeigen konnte, konstitutiv für die Kunst um 1900, besonders für die Böhmischen Länder.19

So wundert es nicht, daß Teschners Werk durchaus mit Vertretern der tschechischen Moderne, etwa Josef Váchal, Jaroslav Panuška, Karel Hlaváček, František Bílek usw. kontextualisiert werden kann. In dem Sinn nämlich, daß sie aus den gleichen konzeptuellen Wur-zeln schufen. Insofern stellt sich hier die Frage des

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16Richard Teschners frühe Jahre

Plakat zu Pelléas und Mélisande (1908).

Egerländer Bauernhochzeit (1911).

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17Kurt Ifkovits

Szene in „Die Lebens-Uhr“ mit dem Prager Orloi im Figurenspiegel (um 1935).

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18Richard Teschners frühe Jahre

Nationalen nicht. Die Werke der oben angesprochenen ‚tschechischen’ Künstler weisen verblüffende Paralle-len zu ihren deutschsprachigen Kollegen auf – neben Teschner sei etwa noch sein Konkurrent um die Profes-sur um die Prager Akademie August Brömse oder Rudolf Jettmar erwähnt. Doch gibt es mindestens einen Beleg, daß Teschner die tschechische Moderne rezipiert haben muß: Im 6. Heft des von Gustav Meyrink herausgegebe-nen Lieben Augustin findet sich unweit einer Arbeit von Teschner eine Zeichnung von Jaroslav Panuška, die eines seiner Motive jener Zeit paraphrasiert, nämlich den Vam-pir. Und auch wenn Teschner 1909 nach Wien übersiedelt war, ist nicht anzunehmen, daß ihm die ums Eck seines Prager Ateliers errichtete Villa Bílek entgangen war.

Das Kleine / das Groteske?

Pavel Eisners an der Literatur Kafkas entwickeltes Mo-dell, das Kleine, Abgeschlossene, das, wie es bei Eisner heißt: mehrfache Ghetto, bringe das Groteske, Phantas-tische hervor, hat sich heutzutage, ausgehend von der Literatur- über die Kulturwissenschaft in der populären Pragbetrachtung festgesetzt, ist zum sterotypen Narra-tiv dieser Stadt geworden. Erstaunlich, daß sich dieser Gedanke auch in der Teschnerliteratur fand. „Wie weit das phantastische Element in der Dichtung und Malerei der Böhmendeutschen, die gerne in der Enge und Geborgenheit ihres eigenen Volkstums verharrten, in der Bewegung mit jenem des ihnen fremd erscheinenden Volkstums der slav-ischen Bevölkerung ihre Wurzel hat, bedürfte einer gründli-chen Untersuchung.“20

Die Problematik, ja letztlich Unhaltbarkeit dieser Be-hauptung ist evident. Denn gerade Teschner und sein Werk zeigen, wie falsch bereits die Fragestellung ist. Denn die Gleichung funktioniert auf beiden Seiten nicht: Teschner war weniger isoliert, als man gemeinhin an-nimmt, andererseits gibt es nicht bloß einen ‚grotesken’ Teschner, sondern auch einen ‚nationalen’. Gerade viele Arbeiten mit eindeutig nationalem Inhalt wirken – zu-mindest aus heutiger Sicht – ziemlich unoriginell. Wohl dem Wunsch des Zielpublikums entsprechend, man-gelt ihnen doch genau das, was Teschner auszeichnet: sie lassen den ästhetischen Einfallsreichtum Teschners vermissen, wirken bieder, kurzum, sie könnten von ei-nem Dutzendkünstler sein.Als Teschner 1909, nach mehreren Sondierungsversu-chen beschließt, nach Wien zu gehen, diesmal sollte es endgültig sein, blickt er in einem Interview im Prager Tagblatt auf seine Prager Zeit folgendermaßen zurück: „Ich möchte nicht die genau zehn Jahre, die ich in Prag ver-

brachte, missen. Waren sicher von ganz einschneidender Bedeutung für meine Kunst, nicht? Die Prager Romantik, diese ganz einzige Mischung, das Alte Prag nehme ich ja mit, kann mir niemand nehmen.“21

Diese kurze Passage ist ebenso verräterisch wie enigma-tisch. – In dem erwähnten Zeitraum von 1899 bis 1909 verbrachte Teschner, wie erwähnt, auch einige Zeit in Leitmeritz wie Prag, – Diese Zeiten des Scheiterns bzw. Wartens werden verschwiegen und einfach zur Prager Zeit gerechnet. Jenem Ort, wo er künstlerisch Fuß fas-sen konnte, jener Ort an dem die ersten Arbeiten entste-hen, die er in sein Werkverzeichnis aufnehmen sollte. 22 Wie schnell Teschner zu Ruhm gekommen war, zei-gen seine Ausstellungsbeteiligungen auf eindrucksvolle Weise. Fast ihm Jahrestakt ist er bei den paradigmati-schen Leistungsschauen der Deutschböhmischen Kunst vertreten: 1903 Aussig, 1905 Karlsbad, 1906 Reichen-berg, 1907 und 1908 Prag, im Rudolfinum, ehe er 1909 an der Kunstschau in Wien teilnimmt. – Als Höhepunkt seiner Etablierung in Prag kann der Auftrag für die Aus-stattung der Prager Erstaufführung von Claude Debus-sys Pelleas und Melisande am Deutschen Theater anläß-lich Angelo Neumanns 70. Geburtstag gelten.Aufhorchen läßt auch das nachgestellte „nicht“ hin-sichtlich der Rolle Prags für die Bedeutung seiner Kunst. Zweifelt er etwa oder ist es eine verstärkende Floskel? Ebenso aufhorchen läßt der Terminus „Misc-hung“ für Prag, Prager Romantik. Was hat sich womit ge-/vermischt? Teschners Äußerung, er „trage Prag in sich“ legt ihn we-niger auf einen primär deutschböhmischen, denn Pra-ger Künstler fest. Dabei bemühte er durchaus Prag zuge-schriebene Klischees wie „sumpfig“. In dieser Enge führt die Aussage in die Irre (Teschner war eben nicht bloß ein eigenbrötlerischer Künstler, der sich von der Umgebung nicht inspirieren hätte lassen), anders gelesen stimmt die Aussage er trage Prag in sich aber insofern, als er hier seinen unverwechselbaren Stil gefunden hatte. In Wien scheint er sich tatsächlich ästhetisch ziemlich ab-genabelt zu haben, nahm nur wenig an Ausstellungen teil, und konnte, dank einer guten Partie finanziell un-abhängig dahinarbeiten. Kurzum: Prag wird hier auf künstlerischer Ebene zum Tor zur ästhetischen Welt verstanden, jener Ort in dem man die Moderne finden und aufsaugen, seinen eigenen Stil bilden kann.Und tatsächlich: Bereits frühe, das in Prag entstande-ne Werk Teschners charakterisierende Kritiken, geben die Eckpunkte seiner Kunst stichwortartig bekannt: „Er ist so recht der deutsche Sinnierer und Spieler, ein phan-tasievoller Tiftler, den es nicht verdrießt, wochenlang an einer kleinen Tafel zu stricheln, köstliche Farben neben

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19Kurt Ifkovits

einander zu setzen und die wunderlichsten Fabelwesen mit dem menschlichsten Sentiment spitzpinselig zu beseelen. Teschner ist auch ein nimmermüder Versucher, jede müh-same Technik reizt ihn […]. In Teschner steckt eigentlich ein

genialer Karikaturist. Aber ihm fehlt gänzlich die Bösartig-keit. Nicht einmal ein klein wenig boshaft kann er sein. […] Was immer er schafft, stets gibt es nicht nur zu schauen, sondern auch zu denken, – oder eigentlich – zu träumen.“23

Bemerkungen

1 Arthur Roessler, Richard Teschner, Wien [1947] – Franz Hadamowsky (Hrsg.), Richard Teschner und sein Figurenspiegel. Die Geschichte eines Puppentheaters, Wien – Stutt-gart 1956. Tschechischerseits hat sich als erster Josef Kroutvor in einem wichtigen Artikel mit Teschner beschäftigt. Josef Kroutvor, Mistr dutého zrcadla, in: Revolver Revue 22, 1993, S. 41-58. Der durchaus umfangreiche Nachlass (zirka 8.000 Objekte) der sich im Österreichischen Theatermuseum, Wien (ab nun ÖTM) befindet, bein-haltet kaum schriftliches Material. Zu der hier behandelten Zeit findet sich nur verhältnismäßig wenig.

2 Vgl. Richard Teschner an Karl Wilfert, vermutl. 16. 10. 1900, ÖTM, AM38611Te. 3 Karl Krattner, Die Deutschböhmen im Rudolfinum, in: Deutsche Arbeit 8, Mai 1903, S. 625–630, S. 629. 4 Unbezeichneter Zeitungsausschnitt, ÖTM, Nachlass Richard Teschner. 5 Richard Batka, Debussys „Pelleas und Melisande“, in: Fremden-Blatt 270, Wien, 1. 10. 1908, S. 13–14 –Franz Grumbach, Richard Teschner, in: Freie Bildungs-Blätter 4,

Karlovy Vary 4, 1907, S. 87-88. 6 P. L. [=Paul Leppin], Zur Einführung, in: WIR. Deutsche Blätter der Künste 1, April 1906, S. 1-2. 7 Eine deutsche Kunstschule hatte übrigens Karl Krattner bereits einige Jahre früher gefordert. Vgl. Karl Krattner, Eine deutsche Kunstschule in Prag, in: Deutsche Arbeit

4, 1904/05, S. 850–851. 8 O. A., Ausstellung deutsch-böhmischer Künstler in Reichenberg, in: Karlsbader Zeitung 26, 1. Juli 1906, S. 6. 9 Richard Teschner, Der Figurenspiegel, undat., gedruckte Beilage zu den Programmheften, um 1938. ÖTM, AM56698Te. Fast wortidentisch argumentierte Teschner

übrigens als er 1938 einen Antrag um Subvention an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda stellte. Vgl. hierzu: Gernot Heiss, Richard Teschner, ein unpolitischer Künstler in der Zeit des Nationalsozialismus, im Erscheinen.

10 P. L. [=Paul Leppin], Zur Einführung, in: WIR. Deutsche Blätter der Künste 1, April 1906, S. 1–2.11 O. A.: Lehrateliers und Werkstätten für Kunst und Kunstgewerbe, in: Prager Tagblatt, Morgenausgabe 267, Prag, 27. 9. 1908, S. 1912 Fragment eines undat. Briefentwurfs Richard Teschner an Gustav Meyrink, ÖTM, AM38593Te.13 Richard Teschner an Paul Brann, undat. Brief [1906], Stadtarchiv München, Akte Paul Brann.14 Max Milrath, Maeterlinck, Debussy und Teschner, in: Theater-Courier 776, Berlin-Wien-Paris-London, 5. 11. 1908, S. 699-701.15 Vgl. F. A., Pelleas und Melisande II, in: Bohemia, 268, Prag, 29. 9. 1908, S. 10-11.16 August Ströbel, Ausstellung des Vereines deutscher bildender Künstler II. Teschner, in: Beilage zur Bohemia 52, Prag, 21. 2. 1907, S. 1.17 O. A., Die II. Kunstausstellung deutsch-böhmischer Künstler in Karlsbad, in: Karlsbader Badeblatt, Karlsbad, 5. 7. 1905, o. S.18 Hugo Haberfeld, Deutsch-Böhmische Kunst auf der Reichenberger Ausstellung Mai–Oktober 1906, in: Deutsche Kunst und Dekoration 19, 1906, Nov., S. 139-16019 Vgl. Otto Urban, Dekadence. České země 1880–1914. Praha 2008.20 Walter Zettl, Das Phantastische bei Teschner, in: Josef Mayerhöfer (Hrsg.), Richard Teschner (1879–1948). Puppenspieler – Sezessionistischer Künstler, Wien 1970, S. 16-19,

hier S. 17.21 O. A., Richard Teschner in Wien. In: Prager Tagblatt, Morgenausgabe 339, Prag, 9. 12. 1909, S. 9.22 Werkverzeichnis Richard Teschner, in der Handschrift von Emma Teschner, undat., ÖTM, 51.924Te. Dieses beginnt im Jahr 1903 mit dem Ölbild Märchen.23 August Ströbel, Ausstellung des Vereines deutscher bildender Künstler II. Teschner, in: Beilage zur Bohemia 52, Prag, 21. 2. 1907, S. 1.

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Das Leben und Schaffen des Bildhauers Hugo Uher Božena Vachudová

Hugo Uher gehörte zu den bedeutenden Bildhauern Karls-bads in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In der Bä-derstadt verbrachte er, bis auf die Zeit seiner Ausbildung, der Reisen durch Europa und des Kriegsaufenthaltes an der Front, beinahe sechzig Jahre. Sein Schicksal wurde gezeichnet von den historischen und gesellschaftlich-politischen Umbrüchen der Jahre 1918 und 1945. Nach langen Jahren anstrengender bildhauerischer Arbeit, in die er sich ganz vertiefte und die durch öffentliche Aner-kennung gekrönt wurde, kam das dramatische Ende von Hugo Uhers leben. Wie schon so oft griff die „große Ge-schichte“ in die persönliche Historie eines Individuums ein. Hugo Uher, geboren am 1. April 1882 in Karlsbad, starb am 11. Dezember 1945 im Alter von dreiundsechzig Jahren im Gefängnis in Prag-Pankrác.In den fachlichen Kenntnissen über das Leben und das Werk Hugo Uhers gähnen große Lücken. In der tschechi-schen regionalen Kunstwissenschaft existiert keine einzi-ge zusammenfassende Bearbeitung seines schöpferischen Bemühens. Die bestehende Erkenntnis ist beschränkt auf Angaben von Lexikoncharakter oder kurze Mitteilungen aus der Presse oder auch aus dem Internet.1 Die erste Un-tersuchung tiefer gehender Art, namentlich in der Erken-nung und Dokumentierung der realisierten Werke, liefer-te im Jahr 2001 der Karlsbader Denkmalliebhaber Jaroslav Dietl.2 Reichhaltiger sind die deutschen Quellen: lokale zeitgenössische aus den 1930er Jahren, z. B. von Eugen Linke in seiner Publikation Heimatkunde des Karlsbader Bezirkes, oder spätere aus dem Jahr 1957, die im Karlsbader Badeblatt von dem Autor Hugo Franke publiziert wurden.3 Das Schaffen von Hugo Uher fand auch seine faktografi-sche Bearbeitung in dem größten deutschsprachigen lexi-kalischen Korpus Thieme-Becker.4 Wenigstens in schrift-licher Gestalt tauchte sein Werk in einigen Katalogen von Ausstellungen sudetendeutscher Künstler auf. Der Kontakt mit dem Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Re-gensburg brachte leider nicht die erwarteten Ergebnisse, die vom Direktor des Egerlandmuseums in Marktredwitz erhaltenen Informationen betrafen lediglich ein kleines Werk in den Sammlungen des Museums.

Die künstlerische Begabung zeigte sich bei Hugo Uher bereits in der Kindheit. Nach der Volksschule und der Bürgerschule vertiefte er seine künstlerischen Fertigkei-ten an der Keramischen Fachschule in Bechyně. In dem Familienarchiv in Frankfurt hat sich ein Nachweis über

sein Studium (acht Semester) an der Kunstgewerbeschu-le in Prag bei Stanislav Sucharda erhalten.5 Dieser Schü-ler Myslbeks war nicht nur ein bedeutender Künstler, sondern als Vorsitzender der Künstlervereinigung SVU Mánes und Redakteur der Zeitschrift Volné směry [Freie Richtungen] auch ein Spitzenvertreter der tschechischen modernen Kunst. Im Jahr 1899 wurde er zum Professor der Kunstgewerbeschule ernannt und vom Jahr 1902 an war er Leiter des Spezialateliers für figurales Modellie-ren. In der abschließenden Bewertung des Studiums seines Schülers der Bildhauerkunst schrieb Professor Sucharda: „Herr Hugo Uher erwarb dank seines ausdau-ernden Fleißes, seiner gewissenhaften Arbeit und seines be-merkenswerten Talents eine derartige Fertigkeit auf dem Ge-biet der dekorativen figuralen Plastik, die ihn dazu befähigt, eigene Entwürfe sehr erfolgreich zu realisieren. Er beherrscht sowohl die umfassende Bearbeitung monumentaler dekora-tiver Arbeiten, wie auch die feine Ausführung eines Reliefs,

Porträt von Hugo Uher, 1920–1930.

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einer Plakette oder Medaille und ist in der Lage, Modelle für die Werke in jedem Material anzufertigen, wie etwa in Stein; Stuck, Metall oder einem anderen. Prag, 26. Juli 1906.“6

Nach dem erfolgreichen Studium kehrte der junge Bild-hauer nach Karlsbad zurück. Nach lediglich acht Jahren konnte er sich der Entfaltung seiner bildhauerischen Profession widmen. Bei seinen Eltern im Hause Homer an der Panoramastraße richtete er sich ein verhältnismä-ßig großes Atelier ein. Er unternahm Studienreisen nach Venedig und Rom, wo er die Grundlagen der klassischen Bildhauerei der Antike kennen lernte, ebenso wie er die Schätze der Renaissance- und Barockkunst zu sehen bekam. Die biografischen Un-terlagen aus dem Familienarchiv führen auch noch ein Studium Uhers an der Akademie der bildenden Künste in Prag an. Ein akademischer Abschluss dieses Studiums ist nicht belegt, denn im Almanach AVU, der im Jahr 1979 zum 180. Jahrestag der Gründung herausgegeben wurde, kommt Hugo Uher als Absolvent einer vom Jahr 1915 bis zum Jahr 1916 dauernden Medaillieursklasse von Stanis-lav Sucharda nicht vor.7 Am 28. Juli 1914 brach der Erste Weltkrieg aus und im Jahr 1915 musste Hugo Uher zum Egerer 73er Regiment einrücken. Nach Karlsbad kehrte er im November 1918 zurück. Die vierjährige Kriegszeit beendete endgültig das „goldene Zeitalter“ Karlsbads und auch die erste Etappe von Uhers bildhauerischer Arbeit.Während der Zeit seines Prager Studiums war Hugo Uher in das Zentrum des tschechischen Kunstgeschehens ge-raten. In Prag existierten damals drei Kulturen neben-einander, eine tschechische, eine deutsche und eine jü-dische. Hugo Uhers Lehrer Stanislav Sucharda war der Künstler, der die formbildenden Prinzipien des Sezessi-onssymbolismus in der tschechischen Bildhauerei im Be-reich der intimen Medaillen und Plaketten entwickelt hat und ebenso im monumentalen Denkmalschaffen, das auf die inneren Erlebnisse des Individuums, auf seine Stim-mungszustände und geistige Verfassung ausgerichtet ist. Bei seinem Lehrer hatte der Student Hugo Uher gelernt, Porträtbüsten (z. B. die Büste der Mutter oder das Porträt des Bruders Emil aus Marmor) sowie Plaketten und Me-daillen mit Sicherheit so zu modellieren, dass sie nicht nur mit der visuellen Wahrhaftigkeit des dargestellten Motivs harmonierten, sondern auch mit den Anforde-rungen des neuen Sezessionsstils. In seiner Ausbildung hatte sich der junge Hugo Uher zugleich auf monumen-tale bildhauerische Realisationen vorbereitet. Zweifellos hat er von dem schöpferischen Einsatz gelernt, den sein Lehrer in den Jahren 1901–1912 für die Errichtung des Denkmals für František Palacký in Prag aufgeboten hat.Hugo Uher kehrt nach seinen Prager Studien zurück ins Egerland, in das deutsche Karlsbad, in ein höchst eigen-

tümliches Milieu, dessen geografische Lage die zentrifu-galen nationalen Tendenzen der hiesigen deutschen Be-völkerung stark unterstützte. Das waren Umstände, die sein Leben und auch sein Schaffen einschränkten. Hugo Uher kehrte freilich auch in ein prosperierendes und rei-ches Bäderzentrum mit einer internationalen Klientel zurück, in eine Stadt mit einer entwickelten Verkehrs-infrastruktur, mit neuen luxuriösen Sanatorien, Hotels, Pensionen und Villen, mit ausgedehnten Kolonnaden. Deren eklektischer später Historismus mit dem Schwall Pracht liebenden Neobarocks verschmilzt hier häufig mit dem Aufkommen der Sezession und ihres ornamentalen Dekorativismus. Nicht nur die Bau-, Stuck- und Stein-metzfirmen hatten zahlreiche Aufträge. Diese rollten auch auf die Bildhauer zu. Hugo Uher entwarf auch luxu-riöse Gebrauchsgegenstände aus normalem oder Biskuit-porzellan, wie z. B. Uhren, Schüsseln u. ä.Die Frage des gesellschaftlichen Ansehens beschränkte sich nicht nur auf den Bereich erfolgreicher Unterneh-mertätigkeit und den Bau exklusiver Wohnsitze. Die neuzeitlichen Eliten fügten in ihre Vorstellungen von of-fiziellem Erfolg auch die Idee von ewigem Ruhm und dem Gedenken nach dem Tod ein. Sich eine Gruft mit prächti-ger Ausschmückung zu errichten gehörte zum guten Ton. Hugo Uher wurde von den bedeutendsten Karlsbader Ho-teliers, Julius Pupp (1844–1902) und Karl Pupp (1867–1926), Angehörigen der fünften Generation der Familie Pupp, eingeladen, für sie Grabskulpturen und -denkmä-ler zu schaffen. Im Fall der beiden Grüfte arbeitete er mit dem Steinmetz Peter Wolff aus Karlsbad zusammen. Ge-meinsames Motiv dieser Werke ist die Verwendung einer weiblichen Figur, in der er die Vorstellungen zur Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert von somnambulen Zuständen und der Rolle des Schlafs in der Symbolik des Fortlebens nach dem Tod entfaltete. Seine bildhau-erische Vision verankerte er immer in dem architektoni-schen Rahmen der Funeralbauten, die sich im Sinne des Sezessionsstils in die Breite entwickelten.Hugo Uher hat in den 20er und 30er Jahren noch zahl-reiche Grabmäler geschaffen, die den Karlbader Fried-hof zieren. In den weiteren Werken konzipierte er, be-schränkt durch die Anforderungen der Auftraggeber, das Aussehen der Grüfte schon etwas bescheidener, z. B. die des Hoteliers Ludwig Hanika, der Familie Ludwig Knös-pel oder die von Dr. Franz Fokschaner und DrTh. Camil-lo Heller), mit Ausnahme der Realisierung der Gruft in Form einer Kapelle für den holländischen Generalkonsul und Fabrikanten Theodor Pohl in Raspenau (Raspenava).

Hugo Uher war Zeuge, wie das Musterlager der Egerer Handels- und Gewerbekammer in Karlsbad mit einer

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22Das Leben und Schaf fen des Bildhauers Hugo Uher

Ausstellungshalle, der sog. „Kunsthalle“, errichtet wur-de, von der es in der damaligen Presse hieß, sie gehöre zu den schönsten im Sudetenraum. Es ist interessant, dass die Karlsbader Ableger des Metznerbundes hier erst vom Jahr 1930 an ausstellen konnte. Das Gebäude des Musterlagers wurde am Goethepfad in Karlsbad errichtet und dient seit dem Jahr 1953 Galeriezwecken. An der ers-ten Ausstellung, die zu Ehren der feierlichen Eröffnung der Ausstellungshalle am 27. 7. 1912 veranstaltet wurde, nahm auch Hugo Uher teil. Aus der Zeit von 1912 bis 1924 haben sich im Eigentum der Galerie der Künste Karlsbad und des Museums Karls-bad insgesamt drei kleine Bronzeplastiken von Hugo Uher erhalten: in der Galerie die Plastik Finish (Pferderen-nen) aus dem Jahr 1912, mit der er sich zu gleicher Zeit in der Karlsbader Kunsthalle und auch im Haus der Künst-ler (Rudolfinum) in Prag präsentierte. Das zweite kleine, auch sehr bekannte Werk ist der Schlittschuhläufer, der ebenfalls auf das Jahr 1912 datiert ist. Bis heute taucht er in Kunstauktionen auf. Die Sammlung regionaler Kunst im Museum bereichert eine Reiterplastik mit der Auf-schrift: Preis des Präsidenten der Tschechoslowakischen Re-publik, 5. 10. 1924. Im Vergleich mit den Werken, die Hugo Uher auf Bestellung realisierte, ist der Eindruck, den die wenigen Beispiele von Uhers Kleinplastiken machen, au-ßerordentlich. Der Künstler wählte durchwegs moderne und dynamische Themen aus der Sphäre des Sports. In diesen Werken zeigte er seine visuelle und gestalterische Invention bei der Bearbeitung der Bewegung von Pferden mit Reitern und offenbarte hier nämlich die „neue Schön-heit“ von dynamischem Sport, und zwar in der glatten Modellierung figuraler und tierischer Formen, in der er gar artifizielle leuchtend plastische Werte erreichte. Nur in privaten Sammlerkollektionen haben sich eini-ge Medaillen und Plaketten erhalten, deren Autor Hugo Uher ist. In den bildhauerischen Sammlungen der Nati-onalgalerie in Prag befindet sich eine einzige einseitige Medaille – ein Neujahrsgruß von Franta Anýž aus dem Jahr 1935. Äußerst interessant durch ihre Form ist die Medai-lle zur Sternfahrt des Automobilklubs in Eger aus dem Jahr 1929 und die Plakette desselben Klubs für die Fahrt der El-eganz, beide aus dem Jahr 1929. Hierher gehört auch noch die Plakette zum 125. Jahrestag der Entstehung der Karls-bader Becher-Likörfabrik. Im zweiten und dritten Jahr-zehnt des 20. Jahrhunderts arbeitete er mit der Handels- und Gewerbekammer in Eger zusammen, für die er den Avers der Vorlage für die Silber- und Bronzemedaillen bereitstellte, die alljährlich den erfolgreichsten Privat-unternehmern verliehen wurden.Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg stellte Hugo Uher auch vor andere anspruchsvolle Aufgaben. Bereits im

Jahr 1916 hatte er einen Entwurf für ein Wappen des 73. Infanterieregiments aus Eger gefertigt, eine Fotografie aus dem Familienarchiv zeigt das Bild eines weiteren Wappenschilds, das angeblich in Prag installiert worden war. Bis in das Jahr 1937 widmete sich der Künstler der Schaffung bildhauerischer Werke für Kriegerdenkmäler, die an die Ehre und den Ruhm der Helden aus den Städ-ten und Dörfern des Egelandes erinnern sollten. Wie die Ergebnisse der historischen Forschungen von Zbynèk Černý und Tomáš Dostál aus dem Egerer Museum, die in der Publikation Schmerz in Stein belegen und wie auch aus der Studie von Stanislav Wieser hervorgeht, wurden viele dieser Denkmäler (nicht nur solche von Hugo Uher) nach dem Jahr 1945 völlig zerstört oder total umgebaut,9 wie das beispielweise an den Gefallenendenkmälern in Dallwitz (Dalovice) oder in Funkenstein (Háje) zu sehen ist, deren Autor Hugo Uher ist. Häufig können wir auch einen Wan-del der ikonografischen Interpretationen ein und dessel-ben Motivs verfolgen, wie z. B. beim Vergleich von Uhers Denkmal in Nebosedl (Novosedly) mit der Figur eines Lö-wen aus dem Jahr 1928 mit dem in Dallwitz (Dalovice) aus dem Jahr 1934, wo sich ein gleicher Löwe befindet, hier jedoch schon mit einem Lindenzweig bei den Vorder-pranken.

Der Engel auf dem Grabmal von Karl Pupp, nach 1910, Bronze.

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23Božena Vachudová

Eine willkommene Abwechslung in dem großen Arbeits-einsatz bedeuteten für Hugo Uher so genannte Aufträge „weltlicher“ Natur. Nach seinem Entwurf wurde im Jahr 1927 in Schönwald (Luby) vor der St.-Andreas-Kirche das Bronzedenkmal eines Geigenbauers errichtet. Die männli-che Figur des Geigenbauermeisters steht auf einem So-ckel aus Sandstein mit Ornamenten, die sich auf die mu-sikalische Tradition der Stadt beziehen. Auch dieses Werk blieb nicht verschont von dem „ideologischen Druck der Zeit“ nach dem Jahr 1945. Im Jahr 1956 kam es zu seiner Versetzung und die ursprüngliche deutsche Bezeichnung „Geigenbauer“ wurde beseitigt. Am 29. 9. 1929 wurde im Park hinter dem Hotel Richmond feierlich das Denkmal für Ludwig van Beethoven enthüllt. Mit seiner Realisierung war Hugo Uher betraut worden. Das war der umfangreichste Auftrag gewesen, den er je erledigt hat. Zu Recht brachte er ihm an der Schwelle zur Reife, im Alter von siebenundvierzig Jahren, Anerken-nung und Bewunderung. Es gab keine Tageszeitung, die nicht über das so außergewöhnliche Werk berichtet hät-te, es gab kein sudetendeutsches Jahrbuch, das nicht eine Reproduktion des Denkmals enthalten hätte. Professor

Eugen Linke widmete in seinem umfangreichen Werk über die Lokalgeschichte aus dem Jahr 1937, im Teil über die hiesigen Sehenswürdigkeiten, dem Denkmal eine treffende Beschreibung. Der Organisationsausschuss gab schließlich sogar eine Ansichtskarte mit diesem Monument der Bildhauerkunst heraus. Der Verkaufser-lös war für eine erfolgreiche Vollendung des Denkmals bestimmt. Eine Zeitungsmeldung vom 23. März 1929 spricht gar von einem amerikanischen Filmmagnaten, der auf das Konto für das Denkmal einen Scheck über 100 Dollar ausstellte.Hugo Uher wählte den kompliziertesten Moment aus dem Leben des Komponisten, ein schöpferisches Beben. Wie soll man den musikalischen Giganten in seinem künst-lerischen Ringen darstellen, was für eine adäquate Form wählen und was für ein Material. Komplizierte Aufga-ben, schwierige. Die Bildhauerei ist eine Materialkunst, in materieller Existenz erfasst sie die kompliziertesten geistigen Zustände, Geschehen, Emotionen und Erleb-nisse. Großes Gewicht hatten bei den Vorbereitungen des Bildhauers auch die räumlichen Dimensionen des Denkmals, die proportionale Verknüpfung des figuralen

Schlittschuhläufer, 1912, v. 15,5 cm, Galerie umění Karlovy Vary.

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24Das Leben und Schaf fen des Bildhauers Hugo Uher

Pferderennen, 1912, Bronze, 34 × 18 × 21 cm, Galerie umění Karlovy Vary.

Reiter, 1924, Bronze, Muzeum Karlovy Vary.

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25Božena Vachudová

Die Plakette zum 125. Jahrestag der Entstehung der KarlsbaderBecher-Likörfabrik, 1932, Bronze, 80,5 × 61 mm.

Die Medaille der Handels und Gewerbekammer in Eger, 1933, Bronze, 60 mm.

Motivs mit der baulichen Grundplatte, die Umrisskompo-nenten und auch die Platzierung des Denkmalobjekts im Grün des Parks und unter dem Himmelsgewölbe. Bis heute wirkt das Denkmal durch die Mächtigkeit des bildhaueri-schen Ausdrucks, die Fülle der Formen und die Ausgewo-genheit von vertikalen und horizontalen architektonischen Komponenten. Das Denkmal ist mit sozusagen massiver Rasanz und mit der stilistischen Strenge der Art deco kon-figuriert als frontal geöffnete halbkreisförmige Bühne; mit einem zentral erhöhten Pylonen mit der Bronzeplastik Beethovens. Von dem Granitmassiv des Pylonen streben niedrigere steinerne Gewände zu zwei symmetrisch ange-ordneten Pfeilern. An diesen Pfeilern waren zwei vertikale Reliefs mit Allegorien der Musik angebracht.10 Diese zeig-ten weibliche Aktfiguren, gehüllt in durchscheinende Ge-wänder und Schleier, in einer Art somnambulen Zustands tiefer Versunkenheit in die Macht der Musik. Im linken Re-lief erscheint neben der weiblichen Gestalt mit einer Geige noch die Halbgestalt eines Mannes, im rechten tritt hinter stilisiertem Laubwerk eine Geige spielende Todesgöttin hervor. Beide Kompositionen, die formal bis zu den Sezessi-onswurzeln reichen und inhaltlich zum Symbolismus, ver-leugnen jedoch nicht bestimmte Elemente einer naturalisti-schen Bearbeitung. Die Reliefs werden ergänzt durch einen Text in deutscher Sprache. Der linke Text lautet: „DIE MU-SIK SOLL DEM MANNE FEUER AUS DER SEELE SCHLA-GEN“. Der rechte lautet: „ZEIGE DEINE GEWALT SCHICK-SAL! WIR SIND NICHT HERREN ÜBER UNS SELBST, WAS BESCHLOSSEN IST, MUSS SEIN, UNS SO SEI ES DENN!“ Eben diese deutschen Aufschriften dienten im Jahr 1946 der Örtlichen Verwaltungskommission zur Genehmigung des Vorschlags, die Reliefs zu beseitigen. An der Wende der Jahre 2011 und 2012 gewährleistete der Rotary Club die Erneuerung der ursprünglichen Reliefs. Die feierliche Ent-hüllung des vervollständigten Beethovendenkmals fand am 4. 8. 2012 statt.

Die Weltwirtschaftkrise traf auch die Bäderstadt, deutlich sank das Interesse an Kurdienstleistungen, vielen Eigen-tümern von Badehäusern, Hotels und Pensionen drohte der Konkurs. Die Volkszählung zum 1. 12. 1930 ergab als Verhältnis der deutschen Bewohner zu den tschechischen folgende Zahlen: 20 856 : 1 046. Die in dieser Stadt und Region lebenden Deutschen fanden Halt in Henleins Su-detendeutscher Partei. Zum Führer der Karlsbader Orga-nisation wurde der Karlsbader Buchhändler K. H. Frank ernannt, der bald auch zu ihrem einflussreichsten Ver-treter wurde. Nach dem Münchener Abkommen, das am 29. 9. 1938 die nationale Frage durch die Abtretung des tschechischen Grenzgebiets an das Deutsche Reich löste, wurde auch Karlsbad dessen Bestandteil.

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26Das Leben und Schaf fen des Bildhauers Hugo Uher

Das Modell für das Denkmal von Ludwig von Beethoven in Karlsbad, 1912/1913, Porzellan, Muzeum Karlovy Vary.

Hugo Uher in seinem Studio bei der Arbeit an der Bronzestatue für das Denkmal von Ludwig von Beethoven.

Das Modell für das Denkmal von Ludwig von Beethoven in Karlsbad, 1912/1913, Porzellan, Muzeum Karlovy Vary.

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27Božena Vachudová

Kurz darauf, am 1. Oktober 1938, wurde Hugo Uher, als anerkannter Bildhauer, in die Reichskammer der bilden-den Künste in Berlin aufgenommen. Sein letztes großes Werk Deutsche Familie war für die Grosse deutsche Kunst-ausstellung in München bestimmt.11

In der Sudetendeutschen Ausstellung in Karlsbad, die vom Bund der Deutschen und dem Künstlerverein Metz-nerbund im Jahr 1937 in dem Musterhaus Karlsbads veranstaltet wurde (die Sudetendeutsche Partei und Konrad Henlein wurden hier von Franz Höller vertre-ten und K. H. Frank von seinem politischen Mitarbeiter Dr. Kurt Eckert) war Hugo Uher nicht vertreten. Er nahm auch nicht an einer weiteren Ausstellung des deutschen Kunstvereins in der „Kunsthalle“ im Jahr 1940 teil. Auch an der Jubiläumsausstellung des Metznerbundes in Prag, die unter der Schirmherrschaft des deutschen Staatsmi-nisters und Reichsprotektors K. H. Frank im Jahr 1944 stattfand, war er nicht vertreten.Trotzdem wurde Hugo Uher, im Zusammenhang mit der Verfolgung von K. H. Frank und seiner Verwandtschaft, am 11. Juli 1945 verhaftet, zumindest nach dem Zeugnis aus dem Familienarchiv, um das sich Uhers letzte Nichte, Senta Leibnitz in Frankfurt am Main kümmert. Grund war seine Ehe mit Annel Eberhard, die er im Jahr 1923 geheiratet hatte und die eine Nichte des Karlsbader Buch-händlers und zukünftigen Reichsprotektors für Böhmen und Mähren Karl Hermann Frank war.Aus dem Polizeigewahrsam wurde Hugo Uher in ein La-ger in Neurohlau und schließlich in das Gefängnis in Prag-Pankraz verbracht, wo er am 11. Dezember 1945 verstarb.Allegorie der Musik aus dem Beethoven-Denkmal in Karlsbad, Modell

1912/13, Realisation 1929, Bronze .

Bemerkungen

1 Prokop Toman, Nový slovník československých výtvarných umělců II [Neues Lexikon tschechoslowakischer bildender Künstler II], Praha 1947, S. 616. 2 Jaroslav Dietl, Karlovarský sochař Hugo Uher [Der Karlsbader Bildhauer Hugo Uher], in: XI. Historický seminář Karla Nejdla, sborník přednášek, Karlovy Vary 2002, S. 48. 3 Eugen Linke, Heimatkunde des Karlsbader Bezirkes. Kunstgeschichte, Teil II, Karlsbad 1937,, s. 85. – Karlsbader Badeblatt, 27. 7. 1912. – Karlsbader Badeblatt, 30. 7. 1922. –

Karlsbader Badeblatt,17. 12. 1922. – Das Kriegerdenkmal in Dallwitz, Karlsbader Badeblatt, Karlsbader Zeitung, 10. 7. 1964, S. 210. – Vom Karlsbader Beethovendekmal, Karsbader Zeitung, 25. 6. 1964, S. 191.– Zum Gedenken des akad. Bildhauers Hugo Uher, Karlsbader Badeblatt, 10.5.1962, S. 83. – Vom Karlsbader Beethovendenkmal, Karlsbader Zeitung, 10. 4. 1964, S. 103.4 Ulrich Thieme - Felix Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von den Antike bis zu Gegenwarth, XXXIII, Leipzig, S. 548.

5 Brief vom 6.9.2011 mit einem Lebenslauf Hugo Uhers und einer Fotodokumentation, verfasst von Josefine Franke geb. Uher (1892–1969), der Schwester Hugo Uhers, und ergänzt von Gertruda Franke, einer Nichte Hugo Uhers aus der Stadt Hochheim, abgesendet von Senta Leibnitz aus Frankfurt a. M., ebenfalls einer Nichte Hugo Uhers.

6 Ibidem. 7 Jiří Kotalík - Miloš Axman - Miloslav Dlouhý, Almanach Akademie výtvarných umění v Praze k 180. výročí založení (1799–1979) (edice katalogy NG č. 18) [Almanach der

Akademie der bildenden Künste in Prag zum 180. Jahrestag der Gründung, Edition Kataloge der Nationalgalerie], Praha 1979.– Jan Simota - Zdeněk Kostka, Sto let práce Uměleckoprůmyslové školy a Vysoké školy uměleckoprůmyslové v Praze. 1885 -1985 [Hundert Jahre Arbeit der Kunstgewerbeschule und der Hochschule für Kunstgewerbe in Prag], Praha 1985.

8 Jaroslav Dietl, Karlovarský sochař Hugo Uher [Der Karlbader Bildhauer Hugo Uher], in: XI. Historický seminář Karla Nejdla, sborník přednášek, Karlovy Vary [Histori-sches Seminar von Karel Nejdl, Sammelband der Vortäge], 2002, Verzeichnis der Werke Hugo Uhers auf S.48–50.. –.

Handels-und Gewerbekammer Eger, Adressbuch, (Adresář obvodu obchodní a živnostenské komory v Chebu (Č.S.R.), Musterlager in Karlsbad 9 Zbyněk Černý - Tomáš Dostál, Bolest v kameni, Pomníky vojákům z chebských jednotek padlým v první světové válce [Schmerz in Stein. Denkmäler für im Ersten Weltkrieg

gefallene Soldaten der Egerer Einheiten], Cheb 2007, s. 38, 127, 161, 192, 214, 240.– Stanislav Wieser, Pomníky padlých ve válkách, zejména v té první [Denkmäler für die Kriegen Gefallenen, besonders in dem Ersten Weltkrieg], in: XVIII. Historický seminář Karla Nejdla, sborník přednášek [Historisches Seminar von Karel Nejdl, Sam-melband der Vortäge], Karlovy Vary 2009, S. 89 –99.

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28Das Leben und Schaf fen des Bildhauers Hugo Uher

10 Radek Slabotínský, Osudy karlovarských soch a pamětních desek po roce 1946 aneb Radikální očista lázeňského města v oblasti hmotných uměleckých památek [Das Schicksal der Karlsbader Statuen und Gedenktafeln nach dem Jahr 1946 oder Die radikale Säuberung der Kurstadt im Bereich der materiellen Kunstdenkmäler], in: XV. Historický seminář Karla Nejdla, sborník přednášek [Historisches Seminar von Karel Nejdl, Sammelband der Vortäge], Karlovy Vary 2006, s. 77–82. Die Örtliche Ver-waltungskommission Karlsbad stimmte auf ihrer Sitzung am 28. Januar 1946 über den Vorschlag ihres Beratungsorgans, des Örtlichen Volksbildungsrats, ab, dessen Hauptreferent Ladislav Kozák, der Vorstand des Bauamtes von Karlsbad, war und empfahl unter anderem, die Seitenreliefs mit dem deutschen Text von dem Beethoven-Denkmal zu beseitigen.

11 Ernst Schremmer, Das Kunstschaffen der Egerländer im XX. Jahrhundert 1, 2, (Kat. der Ausstellung, Stuttgart, Rathaus, 21. 11. 19. 74–6. 12. 1974, Marktredwitz, Egerland-Kulturhaus, 1. 7.–28. 9. 1975; Kat. der Ausstellung Egerland-Kulturhaus, Marktredwitz, 2. 10.–30. 11. 1984, Haus der Heimat, Stuttgart, 5. 2.–28. 2. 1985).

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Der Architekt Otto Bartning in Böhmen – Bauten für die evangelische KircheJan Mohr

Auf dem Gebiet der tschechischen und deutschen Kunst-geschichte der Epoche von 1850 bis 1945 gehört der Ar-chitekt Otto Bartning zu jenen Persönlichkeiten, die aus dem Außenraum in das Milieu Böhmens kommen und in dieses in ihrer eigenen Weise eingreifen, welche an einen eigenständigen Dienst für eine religiöse und architekto-nische Idee erinnert, die die sie umgebende Welt wahr-nimmt, doch ihre eigene Identität bewahrt. Die Tätigkeit Otto Bartnings in den Böhmischen Ländern beschränkt sich auf einen Zeitraum von sechs Jahren und in dieser Zeit schuf er hier, abgesehen von Planungen und Ausge-staltungen von Innenräumen, sechs Bauwerke. Wenn auch der Architekt Otto Bartning in Böhmen eine beinahe unbekannte Persönlichkeit ist, stellt er im Rah-men der deutschen Architektur des 20. Jahrhunderts einen hoch anerkannten Architekten dar, vor allem auf dem Feld der Kirchenarchitektur der evangelischen Kir-che, mit der er sein ganzes Leben lang verbunden war.

Biografische Daten

Zur Einleitung wollen wir wenigstens die grundlegen-den biografischen Daten zusammenstellen. Otto Bart-ning wurde am 12. April 1883 in Karlsruhe geboren. In den Jahren 1902 bis 1903 absolvierte er eine Reise um die Welt. In den Jahren 1904 bis 1908 studierte er Architek-tur in Berlin und Karlsruhe. Im Jahr 1906 beginnt seine eigenständige Entwurfsarbeit. 1924 erhielt er das Ehren-doktorat der Albertus-Universität in Königsberg. In den Jahren 1926 bis 1930 war er Professor und zugleich Di-rektor der neu gegründeten Bauhochschule in Weimar. Im Jahr 1950 wurde er Präsident des Bundes Deutscher Architekten (BDA). Er starb am 20. Februar 1959 in Darmstadt.Von den mehr als 270 Projekten und Bauwerken im Be-reich der kirchlichen und weltlichen Architektur sind unbedingt wenigstens die folgenden 20 Projekte und Bauten aus dem Bereich des Schaffens für kirchliche Zwe-cke hervorzuheben:1906 Areal der evangelischen Kirche (Friedenskirche) in Peggau, Steiermark1907 Evangelische Kirche in Cogealac, Rumänien1908–09 Entwürfe und Projekt einer evangelischen Kir-che für Königgrätz /Hradec Králové/, Böhmen

1909 Evangelisches Kirchlein in Schenkenhahn /Tesařov/, Böhmen 1909 Areal der evangelischen (altlutherischen) Kirche in Essen, Deutschland1910 Areal der evangelischen Kirche in Neustadt an der Tafelfichte /Nové Město pod Smrkem/, Böhmen1911 Areal der evangelischen Kirche in Graslitz /Kraslice/, Böhmen1912 Areal der evangelischen Kirche (Heilandskirche) in Krems an der Donau, Österreich 1922 Projekt Sternkirche in Berlin, Deutschland1928 Stahlkirche, Köln, ab 1931 in Essen, Deutschland 1929 Evangelische Kirche (Heilandskirche) in Dornbirn, Österreich 1930 Evangelische Kirche (Auferstehungskirche) in Essen, Deutschland 1932 Evangelische Kirche (Gustav-Adolf-Kirche) in Berlin1937 Evangelische Kirche (Christuskirche) in Görlitz–Rauschwalde, Deutschland1948 Evangelische Kirche (Auferstehungskirche, Notkirche Typ B) in Pforzheim, Deutschland 1949 Evangelische Kapelle (Diasporakapelle, Notkirche Typ D), Rheinbach, Deutschland1953 Evangelische Kirche in Bad Godesberg, Deutsch-land (mit Otto Dörzbach)1953 Evangelische Kirche in Mehlem, Deutschland (mit Otto Dörzbach)1957 Evangelische Kirche (Johanniskirche), Berlin- Moabit, Deutschland (ursprünglich K. F. Schinkel)1959 Dreifaltigkeitskirche, Worms, Deutschland

Otto Bartning und die Böhmischen Länder

Für die Böhmischen Länder ist im Schaffen von Otto Bartning die Zeit der Jahre 1908 bis 1914 von Bedeutung, als er für verschiedene evangelische Gemeinden in Nord- und Westböhmen eine Reihe von Projekten schuf, von denen vier evangelische Kirchenneubauten und einige kleinere Bauwerke sowie Instandsetzungen bereits exis-tierender kirchlicher Gebäude realisiert wurden.Zum ältesten Kontakt nach Böhmen wurde das Projekt einer evangelischen Kirche für Königgrätz /Hradec Králové/. Im Schaffen Otto Bartnings gehört dieses Pro-jekt in die Anfangszeit und zu der Reihe von Arbeiten, die durchwegs für Länder des damaligen Österreich-Ungarn vorgeschlagen und realisiert wurden, wohin zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein bedeutender Anteil der finan-ziellen und methodischen Hilfe deutscher und schwei-zerischer evangelischer Gemeinden und Vereine floss.

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30Der Architek t Ot to Bar tning in Böhmen – Bauten für die evangelische Kirche

Dieser erste Kontakt, der einzige mit dem tschechisch-sprachigen Milieu, der von schweizerischer Seite vermit-telt worden war, übertrifft die übrigen durch die Breite der ursprünglichen Varianten, in denen der Architekt in fünf verschiedenen Skizzen viele Ideen andeutete, die er später in anderen Bauten realisierte. Aus diesen Entwür-fen ist sein Bestreben ersichtlich, einen Zentralraum zu schaffen, der durch den eigentlichen Zweck dieser Bau-ten bedingt ist, dem geistlichen Leben zu dienen. Der Kontakt zu Otto Bartning war von der schweizerischen Seite bereits im Frühjahr 1908 vermittelt worden. Der Ar-chitekt besuchte Königgrätz dann im April und Mai und arbeitete anschließend die erwähnten fünf verschiede-nen Varianten der Kirche mit dem anliegenden Pfarrhaus und den Gemeinderäumen aus. Die vorgelegten Entwürfe wurden von der Königgrätzer Gemeinde mit dem Verweis darauf abgelehnt, sie würden in der vorgelegten Form bei der Beurteilung durch die lokalen Behörden abgelehnt werden, und die Entwürfe, die Kirche und Pfarrhaus mit-einander verbanden, sollen wegen ihrer Aufwändigkeit wiederum für die schweizerische Seite, die das gesam-te Projekt finanziell verbürgte, unannehmbar gewesen sein.1 Im Otto-Bartning-Archiv der Technischen Univer-sität Darmstadt befinden sich in dem der Königgrätzer Bauaufgabe gewidmeten Akt zwei Grundrisse, die direkt als Entwürfe für Königgrätz bezeichnet sind.2 Im selben befinden sich weitere Skizzen, jedoch ohne einen direk-ten schriftlichen Hinweis auf diese Stadt. Das Bemühen, trotz des Mangels an finanziellen Mitteln zu einer Lösung zu finden, spiegelt sich in den Projekten wider, die zwei Zwecke, also einen Gebetsraum und ein Pfarrhaus mit Gemeinderaum, in einem Gebäude unterbringen. Nur ei-ner der erhaltenen Grundrisse rechnet mit dem Bau einer Kirche und hinten selbständig an sie angebautem Pfarr-haus und Schule. Für die Evangelischen von Königgrätz war zu dieser Zeit jedoch die Idee eines einzigen Gebäudes aus Ersparnisgründen offensichtlich entscheidend, und so vereinigen die vier übrigen Entwürfe alle Funktionen in einem einzigen Bauwerk. Durchwegs befindet sich im vorderen Teil das Kirchenschiff mit Presbyterium, an das sich der Teil mit den Gebrauchsräumen anschließt. Zwei Skizzen haben sich zu der Variante mit einem fächerar-tig angeordneten Raum des Kirchenschiffs erhalten, ei-nem Motiv, das von O. Bartning erneut im Jahr 1934 bei einem seiner berühmtesten Bauwerke verwendet wurde, der Gustav-Adolf-Kirche in Berlin,3 und anschließend wiederholt sich diese Form nach dem Zweiten Weltkrieg noch im Jahr 1953 bei der evangelischen Kirche in Bad Godesberg.4 Ein weiterer erhaltener Grundriss belässt das zentrale Schiff, das durch ein Portal unter dem Turm betreten wird, und hinten ist wieder in einem schmaleren

Entwurf einer evangelischen Kirche fur Königgrätz /Hradec Králové/, 1908.

Entwurf einer evangelischen Kirche fur Königgrätz /Hradec Králové/, 1909.

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Teil ein Nutzungstrakt angeschlossen. Die vorletzte Va-riante geht von einem Schiff auf dem Grundriss eines quer liegenden Rechtecks mit einem kreissegmentförmig angeschlossenen Eingangsteil mit Chorempore aus, mit einem Turm in der Mitte und einer hinteren wiederum rechteckigen Konfiguration mit den Nutzungsräumen, die in einer kreissegmentförmigen Terrasse endet. Die letzte Skizze präsentiert ein Bauwerk mit einem hohen Turm, um den sich, ähnlich wie bei dem vorhergehenden Entwurf, von einem einzigen Baublock die übrigen Tei-le der Kirche absetzen. Wie bereits erwähnt, fanden sich verschiedene Gründe, die zur Ablehnung von Bartnings Plänen führten. Die Zusammenarbeit mit ihm wurde je-doch, offensichtlich auch mit Rücksicht auf die schweize-rische Unterstützung, auch im Jahr 1909 fortgesetzt, in dem der Architekt neue Pläne für ein gemeinsames Ge-bäude der Kirche mit den Räumen für den Prediger aus-arbeitete, die er im Mai nach Königgrätz brachte.5 Den Zentralraum dieses Bauwerks überdeckten kreuzweise zwei Rücken eines Satteldachs, von denen eines überhöht war, ähnlich wie bei dem letzten Entwurf der ursprüng-lichen Skizzen. Der Turm war dieses Mal asymmetrisch an die Seite des Gebäudes gerückt. Diese Pläne sollte O. Bartning in der Endversion in Zusammenarbeit mit dem Baumeister Václav Rejchl realisieren. Schließlich jedoch wurde, offensichtlich nach hinter den Kulissen geführten Streitigkeiten über die Realisierung des Bauwerks, die Zusammenarbeit mit Otto Bartning Im Februar 1910 be-endet, und zwar nach einer Rücksprache mit der schwei-zerischen Seite.6 Es ist jedoch offensichtlich, dass der Einfluss von Bartnings Plänen nicht nur in den weiteren Projekten V. Rejchls deutliche Spuren hinterlassen hat, sondern auch in dem endgültigen Projekt des Architek-ten Oldřich Liska aus dem Jahr 1910, das in den Jahren 1911–1912 realisiert wurde. Zu der Zeit, als Otto Bartning mit der Königgrätzer Ge-meinde über den geplanten Bau verhandelte und per-sönlich diese Stadt besuchte, begann sich auch seine Zu-sammenarbeit mit weiteren evangelischen Gemeinden in Nordböhmen zu entwickeln, dieses Mal im Bereich der böhmischdeutschen evangelischen Gemeinden im Isergebirge, nämlich mit der evangelischen Gemeinde in Gablonz an der Neiße /Jablonec nad Nisou/, respektive mit ihrer Predigerstation in Morchenstern /Smržovka/ und Schenkenhahn /Tesařov/. Für den Eintritt von Otto Bartnings Werk nach Morchenstern ist auch das Jahr 1908 entscheidend, als der evangelische Pfarrer Pommer in dieses Städtchen kam. Fünf Jahre zuvor, am 16. No-vember 1903, war es zur Gründung des Deutsch-evange-lischen Kirchenbauvereins Wurzelsdorf-Schenkenhahn gekommen. Der Verein hatte sich die Aufgabe gestellt,

Pläne für das neue Gebäude und das erforderliche Grund-stück zu erwerben. Die erstellten Pläne eines pseudo-gotischen Bauwerks erwiesen sich sehr bald als nicht realisierbar, vor allem wegen der hohen Kosten. Das aus-gewählte Grundstück jedoch entsprach voll und ganz den Erfordernissen eines Neubaus, sowohl in Bezug auf seine ansprechende Situierung auf einer Anhöhe an der Stra-ße nach Harrachsdorf /Harrachov/, als auch durch seine Lage zwischen mehreren Dörfern (an den Grenzen von Unterpolaun /Dolní Polubný/, Schenkenhahn /Tesařov/, Wurzelsdorf /Kořenov/ und Prichowitz {= Stephansruh} /Příchovice). Eben mit dem Kommen von Pfarrer Hel-muth Pommer nach Morchenstern, der im August 1908 zum ersten Mal zum Thema „Herr, ich liebe die Stelle deines Hauses“ in Wurzelsdorf predigte, wurde gezielt auf die Erfordernis einer eigenen Kirche hingewiesen. Angeb-lich lagen bereits nach vierzehn Tagen die Pläne für eine Kirche auf seinem Tisch.7 Die Pläne für die Bergkirche in Schenkenhahn müssten demnach irgendwann zu Be-ginn des Herbstes 1908 entstanden sein. Die Schnellig-keit, mit der es zu ihrer Ferigstellung kam, erklärt sich durch die Tatsache, dass Pfarrer Pommer, ehe er nach Morchenstern kam, bei einem Aufenthalt in Berlin den Architekten Otto Bartning kennen gelernt hatte.8 Seit dem Herbst 1908 versuchte Pfarrer H. Pommer die für den Bau erforderlichen Mittel aufzutreiben. Er wendete sich an Institutionen in Deutschland, wo er mit Hilfe der Gustav-Adolf-Stiftung die erforderlichen Mittel erhielt. Der Bau wurde am 20. Mai 1909 begonnen und nach fünf Monaten im Oktober abgeschlossen. Die feierliche Einweihung fand am 20. Oktober 1909 statt.9 Durch das Kirchlein in Schenkenhahn kam der Architekt zum ers-ten Mal in seinem Schaffen mit der Lösung eines Zentral-raums eines Kirchenbaus auf oktogonalem Grundriss in Berührung, auch wenn er zu einer zentralen Lösung des Kircheninneren auch bei einigen vorangegangenen Ent-würfen tendiert hatte. Die äußere und innere Schlichtheit dieses ganz aus Holz errichteten Bauwerks und seine au-ßerordentlich wirksame Platzierung in der natürlichen Umgebung machen aus ihm ein einzigartiges Dokument der beginnenden modernen Kirchenarchitektur, auch wenn die klassizisierenden Einflüsse, denen der junge Ar-chitekt ausgesetzt war, im Innenraum in sehr gemäßigter Form zum Ausdruck kommen. Im Jahr 1917 ging Pfarrer Helmuth Pommer in das vorarlbergische Dornbirn und setzte sich schließlich dafür ein, dass Schenkenhahner Projekt für die dortige evangelische Gemeinde zu wieder-holen. Zum Ende des Jahrs 1929 wurden die Pläne einer vergrößerten Variante des ursprünglichen Baus angefer-tigt und die Kirche, die den Namen Heilandskirche er-hielt, wurde bis zum Jahr 1931 vollendet.10 Die zwanzig

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32Der Architek t Ot to Bar tning in Böhmen – Bauten für die evangelische Kirche

Die evangelische Kirche in Kořenov-Tesařov / Wurzelsdorf-Schenkenhahn.

Jahre, die die Entstehung der beiden Bauten von einan-der trennen, äußern sich im Innenraum des Dornbirner Bauwerks vor allem durch eine noch größere Vereinfa-chung der Details und im verwendeten Material durch eine Betonung des hölzernen Innenraums. Eine Projek-tion der Erfahrungen aus beiden Kirchen zeigt sich in der Entstehung eines weiteren Zentralbaus, der Essener Auferstehungskirche,11 dieses Mal bereits auf einem rein kreisförmigen Grundriss und unter Verwendung von mo-dernen Bautechnologien. Neben der Stahlkirche in Köln, die später nach Essen umgesetzt wurde, und der Gustav-Adolf-Kirche in Berlin gehört das erwähnte Bauwerk in Essen zu dem Besten, was Otto Bartning um das Jahr 1930 in der Kirchenarchitektur geschaffen hat. Nach der Vollendung des Schenkenhahner Kirchleins wendete sich Pfarrer Pommer an Otto Bartning mit dem Wunsch, ein Lutherhaus zu bauen, das an die bestehende neogotische Kirche in Morchenstern aus dem Jahr 1903 anschließen sollte. Zu Beginn des Jahres 1910 war aus aus der Predigerstation in Morchenstern eine reguläre evan-gelische Gemeinde geworden und es entstand das Bedürf-nis nach Gesellschaftsräumen für die Bildungsarbeit, vor allem für die Jugend. Zu diesem Zweck entwarf der Archi-tekt ein nicht besonders großes Haus in Form eines erdge-schossigen Bauwerks, das sich nicht von den umstehenden Gebäuden unterschied, jedoch durch einen Gang mit dem Presbyterium der evangelischen Kirche verbunden war. Zu Beginn des Frühjahrs 1910 lieferte der Architekt die Pläne und im Mai wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Diese wurden im Oktober abgeschlossen und genau ein Jahr nach der Einweihung des Schenkenhahner Kirchleins wurde das Lutherhaus zur Nutzung freigegeben.12 Bartnings Aktivi-täten in Morchenstern endeten jedoch nicht nur mit dem Bau des Lutherhauses. Gleichzeitig wurde er von Pfarrer H. Pommer um eine Neugestaltung des Innenraums der Mor-chensterner Kirche gebeten, an deren Presbyterium das Lutherhaus durch den Verbindungskorridor angebunden war.13 Neben den Umgestaltungen des Innenraums befasste sich Otto Bartning auch mit einer Neugestaltung des Pfarr-gartens und der Umgebung der Kirche. Auf der Grundlage seiner Pläne aus dem Frühjahr 1909 wurden dann in den folgenden Jahren diese Umgestaltungen realisiert.14

Im Jahr 1911 kehrte Otto Bartning auch nach Schenken-hahn zurück. Er entwarf für dieses Areal ein kleines Haus, das als Leichenhaus dienen sollte. Der Widerstand der Be-hörden blockierte die Einrichtung eines Friedhofs längere Zeit und so kam es zur ersten Beerdigung erst im Jahr 1913.Das letzte Bauwerk, das von O. Bartning in Nordböhmen entworfen wurde, war – abgesehen vom Bau des Leichen-hauses beim Schenkenhahner Kirchlein – der Komplex der evangelischen Kirche in Neustadt an der Tafelfichte

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34Der Architek t Ot to Bar tning in Böhmen – Bauten für die evangelische Kirche

/Nové Město pod Smrkem/, bekannt unter der Bezeich-nung Lutherburg.15 In Anknüpfung an die ausländische Hilfe beim Bau der evangelischen Kirche in Friedland /Frýdlant/ entstand der Gedanke, eine evangelische Kir-che auch für die hiesige Kultusgemeinde in Neustadt an der Tafelfichte zu bauen. Eine Predigerstation war als Ableger der evangelischen Gemeinde in Friedland be-reits im Jahr 1895 entstanden und im Jahr 1901, am 16. März, wurde ein Ausschuss für die Errichtung eines ei-genen Betsaals gegründet (der Kirchenbau-Verein). An seiner Spitze standen die Herren Sittig, Schneider und Scholz. Von der Statthalterei anerkannt wurde der Aus-schuss am 29. Mai desselben Jahres. Im Jahr 1904 wurde die evangelische Kirche in Friedland eingeweiht, deren Grundstein am 29. Mai 1902 gelegt worden war. Damals stellte sie das einzige Bauwerk dieser Bestimmung in Friedland und Umgebung dar. Im Jahr 1904 verfügte der Neustädter Bauverein bereits über eine Summe von etwa 12 000 Kronen für die Errichtung der neuen Kirche. Be-

deutende Beiträge leistete dazu der Gustav-Adolf-Verein aus Deutschland, insbesondere seine Leipziger Zweig-stelle, mit der die Neustädter evangelische Gemeinde in Verbindung stand. Kontakte gab es aber auch mit der Zittauer Filiale und Gliederungen des Vereins in Schle-sien. Das äußerst langsame Anwachsen der finanziellen Mittel für den Kirchenbaufonds verhinderte einen Bau-beginn und die folgenden fünf Jahre lang wehrte sich die Mehrheit der Mitglieder gegen konkrete Schritte auf einen Baubeginn zu. Auf der Versammlung der Kultus-gemeinde am 17. März 1909 sprach der Kurator Mulisch im Jahresbericht in Bezug auf den Bau der neuen Kirche von der Kontaktaufnahme zu einem Architekte. Dieser Architekt war Otto Bartning. Der versprach, eine Skizze für das neue Bauwerk und einen Kostenvoranschlag zu liefern.16 Erst auf der Versammlung am 24. März 1910 wurde der Schriftführer A. Scholz beauftragt, dem Ar-chitekten Bartning einen Brief mit der Aufforderung zu schreiben, die Pläne und eine Kostenberechnung für den

Die evangelische Kirche mit dem Lutherhaus in Morchenstern / Smržovka, 1910.

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Bau der Kirche vorzulegen.17 In der darauf folgenden Ver-sammlung am 19. April erklärte der Kurator der Gemein-de, der Architekt Bartning habe eine Skizze des Bauplat-zes angefordert, die ihm der Schriftführer Vikar Fritz Knorek besorgt und zusammen mit einem Auszug des Flächennutzungsplans zugesandt habe.18 Bis zum Juni erarbeitet der Architekt ein Skizze der neuen Kirche und einen Kostenvoranschlag. Otto Bartning übergab dann am 8. Juni während seines Besuchs von Neustadt an der Tafelfichte auf dem Rückweg von Morchenstern die Ma-terialien an die Mitglieder des Gemeindevorstands und des Bauausschusses.19 Das Projekt verband ein einschif-figes Kirchengebäude mit schlankem Turm mit einem anschließenden Gemeinderaum und einem Wohnflügel mit Mansarddach. Typisch für O. Bartning war der In-nenraum der Kirche mit seiner reichen Verglasung von 3 Fenstern in der Stirnwand der Nische des Altarraums und die hölzerne Kassettendecke, dieses Mal in Form ei-nes gedrückten böhmischen Gewölbes, die in der Konst-ruktion äußerst sorgfältig ausgeführt war. Die vorausge-setzten Aufwendungen für den Bau bewegten sich um die 60 000 Kronen ohne die Innenausstattung. Die Gemein-devertretung trat am 16. Juni zusammen und erklärte ihre Zustimmung zu dem Bau der Kirche, jedoch forder-te sie ausführlichere Pläne und eine Kostenberechnung. Der Architekt versprach, das Verlangte in möglichst kur-zer Zeit zu liefern.20 Die Pläne der Kirche vollendete Otto Bartning zum 30. November 1910. Am 26. Januar 1911 wurde das Material auf einer Versammlung der evangelischen Gemeinde be-handelt und gut geheißen und am 22. März genehmigte das Gemeindeamt die Pläne und erteilte die Baugenehmi-gung.21 Mit dem Bau beauftragt wurde die Friedländer Fir-ma Rudolf Hampel. Diese übernahm die Baustelle am 30. April 1911 und begann von Mai an mit der Ausschachtung der Fundamente. Der Grundstein des Baus wurde am 15. Juni gelebt. Die Bauzeit dauerte 15 Monate und die feier-liche Einweihung des Baus fand am 11. August 1912 statt. Die Gesamtaufwendungen für seine Erstellung waren schließlich auf die Höhe von 84 000 Kronen geklettert.22 Von der Wende der Jahre 1910 und 1911 an konzentrierte sich Otto Bartnings Aufmerksamkeit auf Westböhmen, auf das Projekt einer evangelischen Kirche in Graslitz /Kraslice/. In diesem verband er wiederum das Kirchen-gebäude mit dem Pfarrhaus und einem Gesellschafts-raum, um so durch die Realisierung eines multifunktio-nalen Projekts eine Verringerung der Aufwendungen zu erreichen. Für die Graslitzer Predigerstation hatte der Architekt Franz Kohl aus Plauen bereits in den Jahren 1908–1912 Pläne für eine neue Kirche geschaffen, aber diese wurden schließlich nicht realisiert.23 Es scheint

Die evangelische Kirche in Graslitz / Kraslice, 1911–12.

Das Interieur der evangelischen Kirche in Graslitz / Kraslice, heutiger Stand.

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36Der Architek t Ot to Bar tning in Böhmen – Bauten für die evangelische Kirche

Das Interieur der evangelischen Kirche in Neustadt an der Tafelfichte /Nové Město pod Smrkem/, heutiger StandDie evangelische Kirche in Neustadt an der Tafelfichte /Nové Město pod Smrkem/, 1910–12.

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Die evangelische Kirche in Nassengrub /Mokřiny/, 1912–14Das Interieur der evangelischen Kirche in Nassengrub /Mokřiny/, heutiger Stand.

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38Der Architek t Ot to Bar tning in Böhmen – Bauten für die evangelische Kirche

recht wahrscheinlich, dass hier im Jahr 1909 der neu er-nannte Pfarrer Gottlob Wilhelm Zimmerli interveniert hat und die Gustav-Adolf-Stiftung, die Bartnings Projek-te auch für die weiteren evangelischen Bauten in Böhmen vermittelt hatte. Auch wenn bis jetzt Archivalien zur Be-stätigung dieser Vermutung fehlen, so belegen doch die erhaltenen Aufschriften in der Graslitzer Kirche selbst, dass sich in die Unterstützung des Kirchenbaus neben Vereinen aus Deutschland auch weitere ausländische evangelische Organisationen einschalteten, dieses Mal aus der Schweiz.24 Und schließlich beteiligte sich an der Finanzierung der Ausstattung der Kirche auch eine Reihe weiterer ausländischer Sponsoren.25 Im Januar 1911 stell-te Otto Bartning die Pläne für die Kirche fertig,26 die vom Bauamt in Graslitz am 5. Mai genehmigt wurden, und am 9. Juli 1911 wurde feierlich der Grundstein für den Neu-bau gelegt. Der ausländischen Unterstützung schloss sich auch die Gemeinde in Klingenthal an, die drei Glo-cken spendete, welche am 21. April 1912 nach Graslitz überführt wurden.27 Mit der Frage ihrer Aufhängung wurde der Berliner Ingenieur Ernst Walther betraut, der zum 30. Juli 1912 die erforderliche Dokumentation erar-beitete.28 Der Bau der Kirche selbst dauerte jedoch nicht einmal ein ganzes Jahr und zur Einweihung der Kirche kam es bereits am 7. Juli 1912.Die Kirchen in Neustadt an der Tafelfichte und in Gras-litz, ebenso wie die älteren Pläne für die evangelische Kirche in Königgrätz knüpfen an einen Typ an, den O. Bartning für die Essener altlutherische Kirche im Jahr 1909 entwickelt hatte, deren Grundstein am 22. August 1909 gelegt und die am10. Juli 1910 eingeweiht wur-de.29 Dominierendes Element dieser Kirchen wurde ein schlanker vierseitiger Turm mit einem spitzen Pyrami-dendach. Das eigentliche Kirchenschiff ist dann mit An-bauten verbunden, die gesellschaftlichen Zwecken der Gemeinde und dem Wohnen der Familie des Geistlichen dienen. Alle diese Bauten sind im Ausdruck streng, ar-chitektonisch klar gegliedert, mit einem Minimum an dekorativen Elementen. Ein bedeutendes Kapitel dieser Bauten dann die Holzdecke, die der Architekt in verschie-denen Lösungsvarianten zur Geltung bringt. Für Otto Bartning ist dann sehr wichtig die Arbeit mit dem Licht im Innenraum. Das Fenster ist in seiner Architektur ein wesentlicher Bestandteil, häufig in einem farbigen Ton, wobei der gelbliche Ton transparenter Verglasung mit ge-gossenen Scheiben besonders beliebt ist. Die Einpassung von Bartnings Bauten in die Landschaft ist zwar dominant, zugleich aber auch besonders fein-fühlig. Auf der anderen Seite passt sich die Gliederung der einzelnen Teile des Bauwerks durch seine Konfigura-tion dem Terrain an.

Zum letzten Kirchenbau in Böhmen, der von dem Archi-tekten Otto Bartning projektiert wurde, wurde die evan-gelische Kirche in Nassengrub /Mokřiny/ bei Asch /Aš/. Im Jahr 1909 entstand in diesem Ort eine Predigerstati-on,30 doch bereits am 27. Oktober 1907 war auf Anregung des Predigers Emil Singer ein Verein für den Bau einer neuen evangelischen Kirche entstanden.31 Auch hier ist der Einfluss des Gustav-Adolf-Vereins belegt, der diesen Bau zu finanzieren half. Bartnings Projekt entstand of-fensichtlich an der Wende der Jahre 1911 und 1912. Der Grundstein wurde am 14. Juli 1912 gelegt. Die Kirche er-hielt den Namen Kaiser-Franz-Josef-Jubiläums-Kirche und die Bezeichnung zeugt von einer früheren Entste-hung, höchstwahrscheinlich zum Jahr 1908, als der Kai-ser das sechzigjährige Jubiläum seiner Thronbesteigung feierte. Den Bauarbeiten führte dann die Baufirma Ernst Hausner aus Asch aus. Fertig gestellt wurde der Bau erst im Jahr 1914 und am 29. November kam es zu seiner Ein-weihung. Die Kirche in Nassengrub unterscheidet sich in mehrerlei von den übrigen vorangegangenen Bauten Bartnings in Böhmen. Schon die Außenansicht erinnerte durch den Turm an Barockbauten und offensichtlich war hier die bewusste Parallele zur evangelischen Kirche in Asch. Diese war übrigens die nächstgelegene evangeli-sche Kirche und die Predigerstation in Nassengrub hatte zur Gemeinde in Asch gehört. Das Imposante der heute nicht mehr existierenden evangelischen Kirche in Asch hatte nicht nur eine architektonische Symbolik, sondern knüpfte auch an die konfessionelle Kontinuität an, derer sich die Ascher Gemeinde und Kirche bereits seit dem 17. Jahrhundert erfreute.Otto Bartning brachte am der Wende vom ersten zum zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in die kirchli-che Architektur in Böhmen eine Reihe neuer Ideen, die vor allem von der Bindung an den eigentlichen Zweck dieser Bauten, an den Dienst der religiösen Gemeinde im Geist der Grundsätze der evangelischen Kirchen ausgin-gen. Diese Ideen fassten Fuß in den sprachlich verwand-ten Bereichen des böhmischen Grenzgebiets und in den zwanziger Jahren fanden sie in einem gewissen Maß ihre Fortsetzung a auch in Projekten für tschechische pro-testantische Kirchen in der Tschechoslowakei der Zwi-schenkriegszeit.

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Bemerkungen

1 Památník českobratrského sboru evangelického v Hradci Králové [Gedenkbuch der Evangelischen böhmischen Brüdergemeinde in Königgrätz] (Manuskript), ohne Seitenzahlen.

2 Otto-Bartning-Archiv derTechnischen Universität Darmstadt, Akt Königgrätz, Inv.Nr. 2006P00028–29. 3 Kol. aut., Die Gustav-Adolf-Kirche in Berlin-Charlottenburg und ihr Architekt Otto Bartning, Berlin 2009 –

Jürgen Bredow - Helmut Lerch, Materialien zum Werk des Architekten Otto Bartning, Darmstadt 1983, S. 115–117. 4 Ibidem, S. 133. 5 In den Akten der Königgrätzer evangelischen Gemeinde befinden sich die Pläne der geplanten Kirche im Akt V-B9a Plány a náčrty na stavbu event. ref. chrámu Páně

v Hradci Králové O. Bartning, architekt, Berlín [V-B9a Pläne und Skizzen zum Bau eines event. ref. Gotteshauses in Königgrätz O. Bartning, Architekt, Berlin]. 6 Památník českobratrského sboru evangelického v Hradci Králové [Gedenkbuch der Evangelischen böhmischen Brüdergemeinde in Königgrätz] (Manuskript), ohne

Seitenzahlen. – [Übersetzung:] „Im Mai 1909 kam H. Arch. Bartning und brachte einen neuen Plan, der im Grundsatz akzeptiert wurde, doch bauen sollte er gemeinsam mit V. Rejchl. Im Oktober wurde zur Anfahrt des Baumaterials geschritten. Als dem neuen Plan Bartnings von hiesigen Fachleuten immer noch verschiedene Mängel vorgeworfen wurden, wurde beschlossen, ihn zu ändern, und die Baumeister und Architekten O. Liska, V. Rejchl jun. und J. Fultner legten dem Ausschuss neue Skizzen und Ausgestaltungen vor. Auf Vorschlag von Br. Ing. Sixta wurde die „Kostnická jednota“ [Konstanzer Einheit] in Prag um eine Entscheidung zwischen den Entwürfen der Projektanten gebeten. Im Februar 1910 wurden die Verhandlungen mit H. Arch. Bartning nach Zustimmung der Freunde in der Schweiz eingestellt.“

7 Helmuth Pommer, Als die Sterbenden und siehe wir leben!, Morchenstern 1911, S. 27. 8 Mitteilung von Frau Sieglinde Stamm aus Dornbirn in Vorarlberg, wo Pfarrer Pommer seit dem Jahr 1917 Dienst als evangelischer Pfarrer tat. 9 Ibidem, S. 27.10 Kol. aut., 100 Jahre evangelisch in Dornbirn, Dornbirn 2007, s. 18–22, 30–33 – Alois Niederstätter, Evangelische Kirche in Vorarlberg, Passau 2010, S. 14–16.11 Jürgen Bredow – Helmut Lerch, Materialien zum Werk des Architekten Otto Bartning, Darmstadt 1983, S. 108–109 – Michael Heering, Auferstehungskirche Essen, Linden-

berg 1998.12 Helmuth Pommer, Als die Sterbenden und siehe wir leben!, Morchenstern 1911, S. 32–33.13 Ibidem, S. 34–35. „Im Innern des Baues wurde eine völlige Neugestaltung von Kanzel und Altar vorgenommen. Um eine Verbindung zwischen Gemeindesaal, (der gleichzeitig

als Sakristei dient), und Kirche herzustellen, mußte in der Stirnwand der Kirche, im Altarraume, eine Tür durchbrochen werden, durch die man über einen Treppeneinbau vom Saal in den Kirchenraum hinabsteigen kann. Da die Kanzel einen äußerst ungünstigen Standort an der linken Längsseite des Kirchenraumes eingennomen hatte, wurde sie in die Hauptachse der Kirche gerückt und mit dem Altar organisch verbunden. Rechts von Kanzel und Altar kam unter Steinhausens Kruzifixus der Taufstein zu stehen. Nun wurde noch die Altarwand neu mit warmen Ockertönen und dekorativen Blumengewinden bemalt und Kanzel, Altar und Verbindungstreppe in dunkelgrünen Tönen mit weißen Fassetten gestrichen. Der gesamte Umbau ist unter der künstlerischen Leitung des feinsinnigen Architekten Otto Bartning aus Berlin hergestellt worden und hat der Kirche ein echt evange-lisches Gepräge verliehen und die Traulichkeit und Behaglichkeit des Raumes sehr gehoben.“

14 POMMER, Helmuth, Als die Sterbenden und siehe wir leben!, Morchenstern 1911, S. 35.15 Siehe Anm. 1.16 Rukopisná kronika evangelické obce v Novém Městě pod Smrkem [Handschriftliche Chronik der evangelischen Gemeinde in Neustadt an der Tafelfichte], Teil 1, S. 96.17 Ibidem, Teil 1, S. 110.18 Ibidem, Teil 1, S. 119.19 Ibidem, Teil 2, S. 1.20 Ibidem, Teil 2, S. 11.21 Petra Šternová, Architekt Otto Bartning a jeho „Lutherův hrad“ v Novém Městě pod Smrkem [Der Architekt Otto Bartning und seine „Lutherburg“ in Neustadt an der

Tafelfichte], in: Sborník Národního památkového ústavu, územního odborného pracoviště v Liberci [Sammelband des Nationalen Denkmalsinstituts, regionale fachliche Arbeitsstätte Reichenberg], Liberec 2008, S. 97.

22 Ibidem.23 Zdeněk R. Nešpor, Encyklopedie moderních evangelických (a starokatolických) kostelů Čech, Moravy a českého Slezska [Enzyklopädie der modernen evangelischen (und altka-

tholischen) Kirchen Böhmens, Mährens und Tschechisch Schlesiens], Praha 2009, S. 241.24 Diese Beteiligung belegen die Aufschriften an zwei Füllungen der Brüstung an der Chorempore, wo der „Schweizer Verein für die Evangelischen in Österreich“ und die

„Gustav Adolf Stiftung Deutsch= Evang. Bund“ genannt werden.25 Bekannt sind vor allem die Donatoren der Glasmalereien der Fenster. 26 Die Pläne sind auf den 11. Januar 1911 datiert. Für die Information und die Zurverfügungstellung der Plandokumentation zur Graslitzer Kirche danke ich Mgr. Jana

Horváthová vom NPÚ [= Nationales Denkmalsinstitut] in Elbogen /Loket/.27 Siehe den Informationstext im Kirchenschiff.28 Bauamt Kraslice, Akt Evangelický kostel [Evangeliche Kirche], Brief mit Skizze.29 Immo Wittig, 53 Jahre Kirchenbau 1906–1959, in: Arbeitsstelle Gottesdienst – Zeitschrift der Gemeinsamen Arbeitsstelle für Gottesdienstliche Fragen der Evangelischen Kirche

in Deutschland 1/2009, S. 6230 Zdeněk R. Nešpor, Encyklopedie moderních evangelických (a starokatolických) kostelů Čech, Moravy a českého Slezska [Enzyklopädie der modernen evangelischen (und altka-

tholischen) Kirchen Böhmens, Mährens und Tschechisch Schlesiens], Praha 2009, S. 241.31 Helmut Klaubert, Kirchliches Leben im Ascher Bezirk, in: Die eigenwillige Historie des Ascher Ländchens, München 1977, führt das Jahr 1908 an, doch das in der Kirche

ausgestellte Dokument aus dem Protokoll der Gründungsversammlung trägt das oben genannte Datum.

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Die Reichenberger Oktobergruppe und die Beteiligung ihrer Mitglieder an der Ausstellung im Prager Mánes im Jahr 1927Anna Habánová

Die Reichenberger Oktobergruppe, eine Künstlergrup-pe, die sich im Jahr 1922 vom Metznerbund abspaltete, hat wahrscheinlich sich in der Öffentlichkeit in ledig-lich vier Ausstellungen präsentiert. Das war in der Zeit der zwanziger Jahre, in dem Zeitraum zwischen der moralischen Krise der deutschen Bevölkerung nach der Entstehung der Tschechoslowakei und vor dem Beginn der Weltwirtschaftskrise. Es ließe sich also erwarten, dass das der günstigste Zeitraum war, um sich durch-zusetzen, sich in der Kunstszene zu etablieren und eine adäquate gesellschaftliche Stellung zu erreichen. Auf die Frage danach, ob wir von etwas Derartigem im Zu-sammenhang mit der Reichenberger Gruppe überhaupt sprechen können oder ob die Situation eine andere war, versucht dieser Artikel im Zusammenhang mit der letz-ten Ausstellung der Oktobergruppe im Herbst 1927 in Prag eine Antwort zu finden.Ein allgemeines Wissen von der Existenz dieser Künst-lergruppe und ihrer Präsentation im Prager Mánes exis-tierte latent schon lange Zeit, publiziert wurde darüber spätestens in dem Katalog der legendären Ausstellung Mezery v  historii [Lücken in der Geschichte]1. Zusammen-fassende Informationen über die Gruppe und ihre Mit-glieder wurden dann ausführlicher in jüngst vergange-ner Zeit veröffentlicht.2 Das langfristige Interesse an der Oktobergruppe ergibt sich aus der Zusammensetzung des Sammlungsbestands der Regionalgalerie in Reichen-berg, die über mehrere Dutzend Gemälde, Zeichnungen und Grafiken der einzelnen Mitglieder dieser Gruppe verfügt. Doch trotz dieser Tatsache ist eine Rekonstruk-tion der Prager Ausstellung nicht einfach. Der bisherige Wissensstand ermöglicht uns eine teil-weise Rekonstruktion der gesamten Ausstellungstätig-keit der Gruppe. Ihre erste gemeinsame Schau fand im Oktober 1922 im Nordböhmischen Gewerbemuseum in Reichenberg statt. Hier wurden in einem großen Saal im Erdgeschoss, der für Ausstellungen bildender Kunst her-gerichtet war, regelmäßig Schauen des zeitgenössischen Schaffens veranstaltet. Das Museum, das als Gewerbemu-seum gegründet worden war, baute eine umfangreiche Sammlung von Kunsthandwerk auf, die die Geschichte und Kultur der weiteren Region abbildete, an ihrer Spit-ze stand allerdings der Berliner Kunsthistoriker Ernst Schwedler-Mayer. Wie sich aus dem Verzeichnis der hier

in der Zeit bis zum Jahr 1945 veranstalteten Ausstellun-gen ergibt, war der überwiegende Teil der kurzfristigen Präsentationen eben der bildenden Kunst gewidmet.3 Nach der ersten folgte nachweislich eine Schau im Jahr 1923, zu der aber keinerlei nähere Archivmaterialien existieren, und dann eine im Herbst 1926. Letztere war als Wanderausstellung geplant und sollte außer in Prag auch noch in Dresden wiederholt werden; ob es dazu kam, konnte bisher aber noch nicht bestätigt werden.In der Einleitung des Katalogs zur Ausstellung im Má-nes im Jahr 1927, der in einer tschechischen und einer deutschen Mutation erschien, identifizierte sich die Gruppe als „selbständige Vereinigung im ,Metznerbund‘. Die Mitglieder der ,Oktobergruppe‘ sind nicht vereinigt auf der Grundlage irgendeiner Satzung, noch eines bestimmten Programms. Sie werden gehalten nur von dem gleichen oder einem verwandten künstlerischen Streben. Die ,Oktober-gruppe‘ vertritt keine bestimmte künstlerische Richtung; sie kennt keine Moderne im Sinne von Modischsein, ,Frei-heit den Schaffenden‘ und ,Kampf dem Dilettantismus‘ sind ihre Parole.“4

Diese Parole, die so wichtig ist für das Verständnis des in-haltlichen Gehalts der Gruppe, war unmittelbar nach ih-rer Entstehung von Alfred Kunft formuliert worden, als sie „… sich so nannte, weil sie im Oktober 1922 entstand. Da-durch drückt sie kein bestimmtes, fest umgrenztes Programm aus.“5 Darüber, ob es möglich ist, für die Benennung der Gruppe ein Muster in der Dresdener Novembergruppe 1919, beziehungsweise in anderen Gruppierungen zu se-hen, kann bis jetzt nicht mit Sicherheit entschieden wer-den. Angesichts der Tatsache, dass es hier zu einer Ab-spaltung innerhalb des Metznerbundes gekommen war, ist es jedoch wahrscheinlich, dass das hier nach einem analogen üblichen Muster geschah.Die Gründungsmitglieder der Gruppe Erwin Müller, Al-fred Kunft, Rudolf Karasek und Hans Thuma zeigten in der ersten Ausstellung im Oktober 1922 an die sechzig Gemälde, Zeichnungen und Grafiken. Ein Jahr später, im Oktober 1923, nahm man den jungen Bildhauer Johan-nes Watzal, Lehrer an der Keramikfachschule in Teplitz-Schönau /Teplice/, auf, sowie den Lehrer an der Glasfach-schule in Steinschönau /Kamenický Šenov/ Alfred Dorn und – als unersetzbares moralisches und künstlerisches Vorbild – den bedeutenden Vertreter der Landschafts-malerei des Isergebirges Wenzel Franz Jäger. Spätestens im Jahr 1926 kamen noch Edith Plischke, Karl Kaschak, Richard Fleissner und Wilhelm Srb-Schlossbauer hinzu. In diesem Jahr fand auch die umfangreichste Ausstel-lung der Gruppe in Reichenberg statt, trotzdem ist es nie dazu gekommen, dass alle 11 Mitglieder gemeinsam aus-gestellt hätten; das dürfte mit dem Lehrerberuf und den

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anderen Beschäftigungsverhältnissen der Gruppenmit-glieder zusammenhängen, die es nicht erlaubten, sich voll dem freien künstlerischen Schaffen zu widmen. Auch die Prager Ausstellung von 1927 war keine Ausnah-me: Neben den Gründungsmitgliedern waren hier nur Al-fred Dorn, Karl Kaschak und Richard Fleissner beteiligt. Wie sah die Ausstellung von 1927 nun also aus? Die grundlegenden Informationen lassen sich aus dem einfa-chen Katalogverzeichnis der Ausstellung gewinnen, für eine tiefere Erkenntnis und ein genaueres Verständnis ist es erforderlich, mit der Tagespresse zu arbeiten. Auf den Seiten der deutschsprachigen Tageszeitungen wie Prager Tagblatt, Reichenberger Zeitung oder Deutsche Zeitung Bo-hemia lassen sich, wenn auch in begrenztem Maße, wei-tere präzisierende Informationen finden, die für das Ver-ständnis der Position der Gruppe von Bedeutung sind. Außerdem ist es möglich, auf der Grundlage des Ausstel-lungskatalogs konkrete Werke in Kunst sammelnden Ins-titutionen der Tschechischen Republik aufzufinden. Das größte Konvolut von Werken aus dieser Ausstellung kaufte die damalige deutsche Sektion der Modernen Ga-lerie und ein Teil von ihnen befindet sich bis heute in den

Sammlungen der Nationalgalerie. Es handelt sich um die drei Papierarbeiten Bajkalsee (Inv. Nr. K 17838), Europa reizt Asien (Inv. Nr. K 17839) und Der Gefangene (Inv. Nr. R 28452) von Alfred Kunft, das Gemälde Landstraße (Inv. Nr. O 4369) und die zwei Grafiken Wundersamer Fisch-zug (Inv. Nr. R 28452) und Nach dem Begräbnis (Inv. Nr. R 28452) von Erwin Müller, die Radierung Die Hochbahn in Hamburg von Richard Fleissner (Inv. Nr. R 27733) so-wie Die Mappe – ein Ensemble von 9 ausgewählten Gra-fiken (Inv. Nr. R 28452-28460). Einige der Drucke dieses Konvoluts wurden auch gesondert ausgestellt. Eine Aus-wahl aus dem Schaffen von Rudolf Karasek wurde später in der Zeitschrift Witiko reproduziert.6 Ist es überhaupt möglich, auf Grund einer derart kleinen Probe aus den insgesamt 59 ausgestellten Werken diese Ausstellung be-ziehungsweise Gruppe als Ganzes zu bewerten?In Anbetracht des Charakters und der politischen Ori-entierung der damaligen Tageszeitungen brachte einen wohlwollenden Bericht über die Ausstellung Fritz Leh-mann auf den Seiten des liberalen Prager Tagblatt.7 Er hob vor allem als positiv die Tatsache hervor, dass das die erste Ausstellung deutschböhmischer bildender Kunst in Ausstellungsräumen war, die bis dahin ausschließlich zur Präsentation tschechischer oder ausländischer bil-dender Kunst bestimmt waren, keinesfalls aber der ein-heimischen deutschen. Die Ausstellung erachtete er als qualitätvoll, sie könnte nach ihm daher den Beginn einer Anknüpfung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den offiziellen Staatsmalern aus den Reihen des Mánes und „den bisher beiseitegestandenen, die bittere Not und das Verlassensein von den eigenen Landsleuten kennenden Deutschen“8 bedeuten. Der Stoßseufzer Fritz Lehmanns stand im Zusammenhang mit Ankäufen italienischer Kunst für die Moderne Galerie, wie er weiter in seinem Bericht anführt.9 Dieser Wunsch verblieb jedoch, wie die spätere Zusammensetzung des Ausstellungsplans des Mánes zeigte, nur auf der Ebene der Theorie und wurde in der Praxis nicht umgesetzt.Eine umfangreichere Rezension, die die Ausstellungen von 1926 und 1927 zusammenfasste, publizierte auf den Seiten der Zeitschrift Deutsche Arbeit auch Otto Kletzl.10 Sein Interesse an der Reichenberger Ausstellung mag im Zusammenhang stehen mit seinem Wirken in Reichen-berg in den Jahren 1924 bis 1927, als er hier als Leiter des Deutschen Bezirksbildungsausschusses der Stadt Reichenberg arbeitete.11 In dieser Zeit erscheinen in der Reichenberger Zeitung in größerem Maße, vor allem in den Sonntagsausgaben, seine Rezensionen von Ausstel-lungen oder Bewertungen der Reichenberger städtischen Gemäldesammlung und der Tätigkeit des Museums. Sei-ne Rezension dieser Ausstellung der Oktobergruppe ist

Titelseite des Kataloges.

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Rudolf Karasek, Stolze Orchidee, Öl, in: Frank Matzke, Rudolf Karasek, Witiko I, 1928, S. 220.

Rudolf Karasek, Altes Städtchen (Elbogen), in: Frank Matzke, Rudolf Karasek, Witiko I, 1928, S. 219.

Die Reichenberger Oktobergruppe und die Beteiligung ihrer Mitglieder an der Ausstellung

im Prager Mánes im Jahr 1927

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Erwin Müller, Greislerin, Öl, Leinen, Regionalgalerie in Reichenberg.

Anna Habánová

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wichtig auch deshalb, weil sie eine fachliche Kritik der aus-gestellten Werke enthält und einige bis dahin nur vermu-tete Beziehungen und Strukturen in der Gruppe aufdeckt. Einer dieser Punkte war die Einladung an Wenzel Franz Jäger zur Teilnahme an den Ausstellungen der Gruppe. „Daß Fr. W. Jäger zu diesem Kreise geladen wurde, dessen Werk sich hier nur wenig harmonisch einfügen kann, ist mehr als ein Akt bekennender Hochachtung vor dem gediegenen Landschafter des Isergebirges zu werten.“12 Kletzl sah des-sen ausgestelltes Schaffen recht kritisch, denn er war der Meinung, dass seine neuesten Arbeiten lediglich aus den vorangegangenen schöpfen und nichts Neues bringen. Jäger am nächsten stand aus der Gruppe Rudolf Kara-sek, der die neuesten Landschaften aus dem Egerland vorstellte. Deren starke Seite sei das klare Gefühl für den formalen Aufbau des Bildes. Die ein wenig bedrückende, freudlose Farbigkeit rechnete Kletzl Karaseks langwie-riger Krankheit zu, die jedoch sein starkes malerisches Talent nicht überschattet habe.Kletzl fährt fort mit einer Aufzählung der Künstler und ihrer Werke. Alfred Kunft hält er die einfache Farbig-keit vor, die zur Fadheit führe, vor allem in den großen Formaten, er bemerkte auch den dekorativen Charakter, der durch Kunfts Bedürfnis nach Beschreibung bedingt sei. Diese Konstatierung ist jedoch ziemlich abstrakt angesichts der Tatsache, dass Kunfts Schaffen nur mini-mal erhalten ist. Otto Kletzl hob die Originalität seiner Sujets hervor, die jedoch auf Grund der nicht voll be-herrschten Technik nicht voll zur Wirkung kämen. Hoch bewertete er die sachliche sozialkritische Thematik von Müllers Gemälden – ihre „kühle gründliche Sachlichkeit“13 und seinen expressiven Ausdruck, der sich durch hohen Farbauftrag und vehemente Pinselstriche auszeichne. Als bestes bezeichnete er das Gemälde Greislerin (V ku-peckém krámě, OGL [Im Kaufmannsladen, Regionalgale-rie Reichenberg]], Inv. Nr. O 1369). Hans Thuma stellte Gemälde aus der Zeit seines Parisaufenthalts vor, denen laut Kletzl die elegante Leichtigkeit und matte Farbigkeit dazu fehle, zu Synonymen des französischen Bohèmele-bens werden zu können. Die übrigen ausstellenden Mit-glieder werden nur kurz erwähnt. In Prag präsentierte sich bereits nicht mehr Edith Plischke, die in der Rei-chenberger Ausstellung 1926 aus den alten Meistern ge-schöpft habe, Die Porträts Karl Kaschaks seien eine an-genehme Überraschung gewesen und Richard Fleissner komme vom Brömse-Kreis her, zumindest in der Verwen-dung von dessen Lieblingstechnik, die die Aquatinta mit der Kaltnadel kombiniere.August Ströbel unterstrich auf den Seiten der Deutschen Zeitung Bohemia, es „vermögen nicht alle in gleichem Maße zu interessieren.“ Ähnlich wie Kletzl hob er das Schaffen

Rudolf Karaseks hervor, vor allem seine Grafiken mit ihrer charakteristischen Handschrift und die Blumen-stillleben. Und trotz der Tatsache, dass Erwin Müller von den Sujets her sehr originell sei, sei sein Schaffen voller Widersprüche, was auch aus anderen zeitgenössischen Rezensionen hervorgehe. Grund sei wahrscheinlich die unvollständige technische Beherrschung der Malerei, in der sich hohe Farbaufträge fänden, bewirkt durch lo-kal wiederholt überarbeitete Partien. Auch die weiteren Mitglieder der Gruppe schonte er nicht allzu sehr. Hans Thuma oszilliert laut Ströbel zwischen Berlin und Paris, ohne selbst zu wissen, was sein Ziel sei, und die Werke von Richard Fleissner und Karl Kaschak bezeichnete Ströbel als ein Musterbeispiel von Provinzialismus.14

Es ist logisch, dass die Ausstellung einer Gruppe, die nicht durch ein exaktes künstlerisches Programm ver-bunden, bereits zu ihrer Zeit eine Welle der Kritik und widersprüchlicher Reaktionen hervorrief. Wie soll man aber mit diesen Wertungen umgehen und ist es über-haupt möglich, auf ihrer Grundlage in der heutigen Zeit rückwirkende Wertungen abzugeben? Insbesondere zu einem Zeitpunkt, wo das Werk der Mehrheit der Mit-glieder der Oktobergruppe entweder unwiederbringlich vernichtet ist oder möglicherweise bis heute in priva-ten Sammlungen verborgen bleibt. Der bisher gefunden Bruchteil der ausgestellten Werke schließt eine objektive Wertung eher aus. Während der Zeit der Prager Ausstellung befanden sich zumindest die Gründer der Gruppe auf dem Gipfel ihrer schöpferischen Kräfte, und das auch trotz der Tatsache, dass sie sehr jung waren und sich dem freien Schaffen maximal 5 bis 10 Jahre gewidmet hatten. Diese Wertung kann man in Kenntnis des Kontextes der weiteren histo-rischen Entwicklung vorschlagen. Im Jahr 1927 handelte es sich auch um ihre erste größere gemeinsame Schau au-ßerhalb ihrer Region zu einer Zeit, wo deutsch-böhmi-sche Kunst in Prag in gemeinsamen Ausstellungen nicht präsentiert wurde. Eine Ausnahme bildeten die Ausstel-lungen des Kunstvereins für Böhmen in Prag, der regel-mäßig vor allem Einzelpersonen aus dem hier behandel-ten Milieu Raum gab. Eine Bewertung der Gruppe wäre möglich auf der Grundlage eines Vergleichs mit entspre-chenden Gruppen im tschechischsprachigen Landesteil, solche existierten jedoch nicht. Ein Vergleich mit ana-logen Gruppen im deutschsprachigen Milieu Böhmens (Die Pilger, Prager Secession) wird erst nach einer Bear-beitung der Tätigkeit dieser Gruppen möglich sein.

Die Reichenberger Oktobergruppe und die Beteiligung ihrer Mitglieder an der Ausstellung

im Prager Mánes im Jahr 1927

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Bemerkungen

1 Naďa Řeháková, Několik poznámek na okraj výtvarného života Liberecka dvacátých let [Einige Randbemerkungen zum künstlerischen Leben im Reichenberger Lnad der zwanziger Jahre], in: Hana Rousová (ed.), Mezery v historii 1890–1938. Polemický duch Střední Evropy – Němci, Židé, Češi [Lücken in der Geschichte 1890–1938. Der pole-mische Geist Mitteleuropas – Deutsche, Juden, Tschechen] (Ausstellungskat.), Galerie hlavního města Prahy – Národní galerie v Praze 1994, S. 54–55.

2 Anna Habánová, „Edler Wettstreit der beiden Völker“. Die Anfänge der Tätigkeit der Reichenberger Kreisgruppe des Metznerbundes, die Oktobergruppe und Erwin Müller, Umění LIX, 2011, Nr. 5, S. 415–426.

3 Libuše Bílková, 100 let Severočeského muzea v Liberci [100 Jahre Nordböhmisches Museum in Reichenberg], Liberec 1973. 4 Práce skupiny Metznerbundu Oktobergruppe z Liberce [Arbeiten der Oktobergruppe des Metznerbundes aus Reichenberg] (Ausstellungskat.), Praha 1927. 5 Josef Wolf, Sudetendeutsche Maler. Hans Thuma, Reichenberger Zeitung LXIV, 87, 15.4.1923, S. 7. 6 Frank Matzke, Rudolf Karasek, Witiko I, 1928, S. 217–224. 7 Fritz Lehmann, Bei Manes zu Gaste, Prager Tagblatt LII, Nr. 266, 10.11.1927, S. 6. 8 Ibidem. 9 In den Sammlungen der Nationalgalerie befindet sich keine allzu große Menge an italienischen Gemälden, um die es sich handeln könnte, und wenn es sich gegebenen-

falls nur um Arbeiten auf Papier gehandelt haben sollte, ist es bisher nicht gelunge, sie mit Sicherheit zu bestimmen.10 Otto Kletzl, Ausstellung der Oktobergruppe in Prag, Deutsche Arbeit XXVI, 1926, Nr. 3, S. 83–84.11 SOkA Liberec, fond Archiv města Liberce, Evidence obyvatel Liberce 1900–1938 [Staatliches Bezirksarchiv Reichenberg, Fond Archiv der Stadt Reichenberg, Evidenz

der Einwohner Reichenbergs 1900–1938].12 Kletzl (Anm. 10), hier S. 83.13 Kletzl (Anm. 10).14 A. st. [August Ströbel], Oktobergruppe, Deutsche Zeitung Bohemia C, č. 272, 17. 11. 1927, s. 6–7.

Anna Habánová

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„Genug des leisen Flüsterns!“ Antwort der künstlerischen Emigration in der Tschechoslowakei auf den aufkommenden Nazismus Bronislava Rokytová

Adolf Hitler war erst einige Monate im Gange, Deutsch-land sich zum Bilde umzugestalten, als im September 1933 durch den Propagandaminister Joseph Goebbels die Reichskulturkammer gegründet wurde. Zu ihrer Haupt-aufgabe wurde die Verwaltung jeglicher künstlerischer Produktion nach den nazistischen Kriterien. Das Ende der modernistischen Tendenzen wurde eingeläutet durch die Schließung des Bauhauses als „einer Brutkammer der Juden und Bolschewisten“. Für eine offene Kritik des Na-zismus gab es keinen Platz mehr, was auch das offizielle Verbot der Kunstkritik im Jahr 1936 bestätigte. Der na-zistische Antimodernismus wurde bei der Durchdrin-gung der Kultur des totalitären Staates zum Sieger. Diese Tendenzen waren allerdings nicht plötzlich mit der Veränderung der politischen Ordnung in Deutschland aufgetaucht. Die Kunstrichtungen, die der Nazismus durchzusetzen suchte, hatten ihre spezifischen Varian-ten im faschistischen Neoklassizismus in Mussolinis Ita-lien und im sowjetischen sozialistischen Realismus. Die-se rivalisierenden Regime waren paradoxerweise durch einige gemeinsame Prinzipien miteinander verbunden, nach denen die Kunst als politische Waffe benutzt werden sollte. Daher war es erforderlich, sich die künstlerischen Bewegungen und kulturellen Institutionen untertan zu machen. Die dringende Notwendigkeit einer Identifikati-on der Massen mit Führer, Partei und Staat führte zu ei-ner vereinfachenden Schematisierung und gefährlichen Idealisierung der propagierten Symbole. Jede Deforma-tion, die diese anerkannten Wahrheiten verzerrt hätte, war gefährlich. Die Bevorzugung der Individualität wur-de als unerwünscht betrachtet, weil sie zu einer Verun-sicherung des Massenpublikums hätte führen können, das auf einige wenige gängige, für das Regime positive Schemata konzentriert wurde. Die allegorisch kalte Gestalt des nazistischen Militaris-mus formte die Bereitschaft und Entschlossenheit zum Kampf für die hohen Ziele des „neuen“ Deutschland. Der monumentale Klassizismus verwies auf die Muster der historischen Vorfahren, die im antiken Griechenland ge-funden wurden, und das Hakenkreuz wurde zum klar de-finierbaren Vertretungssymbol der Macht und der Identi-fikation mit der führenden und einzig möglichen Partei. Nach dem russischen Kunsthistoriker Igor Golomstock wurde die alte Hierarchie der akademischen Genres wie-

derbelebt und verändert. Aus dem Porträt des Herrschers wurde das ebenso vergötterte Porträt des Führers. Die historischen Themen bewahrten die Tendenz die „Märty-rer“ der Partei zu mythisieren, das Genre wandelte sich zu freudigen Verherrlichungen heldenhafter Kämpfe und die Landschaft konzentrierte sich auf die Schönheit des

Vaterlands.1 Diese Typen wurden zum Angelpunkt nicht nur für die von Hitler auserwählten Künstler, die sich zu Gunsten der deutschen Propaganda engagierten. Wie an-schließend gezeigt werden soll, erlangte diese Thematik eine neue Bedeutung auch im Schaffen der antinazisti-schen Emigration, die an den gleichen Sujets auf die Ver-logenheit und Korrumpiertheit eines Systems hinwies, das die vorübergehende menschliche Unzulänglichkeit Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden missbraucht.

„Genug des leisen Flüsterns!“ Die deutsche Presse in der Emigration

Die antimodernistischen Säuberungen, die in Deutsch-land entfesselt wurden, waren also ein direkter Angriff auf den Individualismus und die freie Äußerung der ei-genen Meinung. Die Situation, in der Kreativität auf eine Funktion, die nur dem „Wohl“ des Staates dient, redu-ziert wird, musste also notwendigerweise zu einem der Anstöße werden, Asyl im Ausland zu suchen. Dem Brand des Reichstags, der zum Vorwand für die offene Unter-drückung der Oppositionsvertreter wurde, folgte Verhaf-tungen und Verhöre von Personen, deren Tätigkeit und Ansichten nicht mit den vom Regime neuerdings pro-pagierten zu vereinbaren waren. Die Verbrennung von Büchern und Werken abgelehnter Künstler war nur noch eine demonstrative Geste, die andeutete, dass es höchste Zeit war, aus Deutschland wegzugehen.Zu den ursprünglichen Zielen der Emigranten wurden Frankreich und die Tschechoslowakei, später dann Eng-land, Belgien und die Niederlande oder die Vereinigten Staaten von Amerika. Während in Frankreich die jüdi-sche Emigration überwog, war die Tschechoslowakei ein wichtiger Zufluchtsort der politischen Emigration. Die Tschechoslowakei war mit Deutschland durch mehrere Berührungspunkte verbunden. Der geografische Kon-takt bot den antinazistischen Künstlern die Möglichkeit einer unmittelbaren Reaktion auf das politische Gesche-hen. Der historische Kontext wiederum baute in einem gewissen Maß die Sprachbarriere ab, und so konnten die Künstler den örtlichen Bürgern leichter Informationen über die Gefahr des nazistischen Systems vermitteln. Die Tschechoslowakei als Verfechterin der Freiheit des Wortes hörte einstweilen noch zu und war entschlossen,

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47Bronislava Rokytová

die Demokratie ihrer ersten Republik zu verteidigen. Ihr Spezifikum war auch die Gruppe der Remigranten. Meistens links orientierte jüdische Intellektuelle kehr-ten nach mehrjährigem Aufenthalt in Deutschland in die Tschechoslowakei zurück und wurden eine wichtige Stütze für die Flüchtlinge.2 Eine wichtige Tatsache für die intellektuellen Kreise der Emigration war es, dass es in der Tschechoslowakischen Republik deutsche Schulen und Theater gab und dass dort eine Reihe deutscher Periodika erschien. So wurden auch einige deutschsprachige Verlage hierher verlegt, die in Deutschland oder Österreich bereits verboten waren. Ne-ben Propagandaflugblättern und -broschüren gaben die Emigranten selbst in der Tschechoslowakei eine große Menge von Druckerzeugnissen heraus. Vom Jahr 1933 bis zum Jahr1938 waren das etwa sechzig neue Zeitschriften und Zeitungen in deutscher Sprache, wobei eine ähnliche Rolle auch einige Periodika spielten, die schon vorher in der Tschechoslowakei erschienen waren.3 Es eröffnete sich hier also die Möglichkeit zu schöpferischer Mitar-beit verschiedenster Art.Strategische Orte, wo über die aktuelle Situation in Deutschland informiert wurde, waren die Kaffeehäuser. Die Flüchtlinge verkürzten sich hier die nur langsam ver-gehende Zeit und so begann in diesem Zusammenhang der Ausdruck „Wartesäle der Emigration“4 aufzutauchen, der auf die Atmosphäre der ungeduldig erwarteten Ab-fahrt nach Hause verwies. Dieses Milieu vermittelte ge-genseitige Begegnungen der Exulanten untereinander, mit der tschechischen Intelligenz oder mit den Hilfsorga-

nisationen. In ausgewählten Kaffeehäusern konnten sie preiswerte Erfrischungen genießen und die herauskom-mende Presse lesen, die auf die neuesten Ereignisse auf-merksam machte. In der Straße Am Graben, im Kaffeehaus Continental,5 fand jeden Tag die Registrierung weiterer Flüchtlinge durch Kurt Grossmann von dem im selben Haus wirkenden Ausschuss Demokratische Fürsorge für Flüchtlinge statt. Hier halfen auch der Verleger Wieland Herzfelde und von den Remigranten die Schriftsteller Egon Erwin Kisch oder F. C. Weiskopf.6 Das Jahr 1933 war noch getragen vom Geist der optimisti-schen Hoffnungen, es handle sich lediglich um eine kurz-zeitige Situation. Die Emigranten bemühten sich von An-fang an, mit ihren eigenen Mitteln gegen die nazistische Unterdrückung zu kämpfen. Eine führende Stellung nah-men in diesem fall die Exilverlage ein, die nach Prag verlegt worden waren. Zu den kulturell-politischen Zeitschriften gehörten die Zeitschrift Neue Deutsche Blätter und Die Neue Weltbühne, die von Wien hierher verlegt worden war. Zu den bedeutendsten Verlagen gehörte der links orientierte Ma-lik-Verlag, an dessen Spitze Wieland Herzfelde stand7 und der an seine vorangehende Tätigkeit in Berlin anknüpfte. Kaum drei Wochen nach Hitlers Machtantritt war also in den Prager Straßen die Zeitschrift Arbeiter Illustrierte Zei-tung (AIZ)8 mit den ausdrucksstarken Fotomontagen John Heartfields zu bekommen. Sie wurde nicht nur nach Frank-reich oder Österreich weiter exportiert, sondern auch als illegale Druckschrift in einem Kleinformat nach Deutsch-land. Zu einem wesentlichen Punkt wurde die Anknüpfung von Beziehungen zum tschechischen Milieu. Dazu leiste-ten die deutschsprachigen Autoren aus der Tschechoslowa-kei einen wichtigen Beitrag. Zu den tschechischen Kollegen der satirischen Wochenzeitschrift Der Simplicus9 gehörten Adolf Hoffmeister, Antonín Pelc und František Bidlo. Die AIZ stand in engem Kontakt mit der Zeitschrift Svět práce [Welt der Arbeit]. In derselben Redaktion wie die AIZ er-schien die Halbmonatsschrift Der Gegen-Angriff,10 deren erste Nummer mit folgendem Aufruf begann: „Schon genug des Wahnsinns! Genug des machtlosen Zähneknirschens! Genug des leisen Flüsterns! Es ist Zeit die Stimme zu erheben. Es ist Zeit laut aufzuschreien, dass es in allen Ohren erklingt, es ist Zeit, einen Aufschrei des versklavten, gequälten, geschmäht-en Deutschland auszustoßen. Es ist Zeit zum Gegenangriff!“11

Der Malik-Verlag und das Schaffen John Heartfields

Wieland Herzfelde hielt sich in Prag vom Frühjahr 1933 an auf, nachdem direkt nach dem Reichstagsbrand so-wohl der linke Malik-Verlag12, als auch seine Wohnung

Erich Godal, Besuch der widerwärtigen Prager Börse, Simplicus 5 (39), 24. 10. 1934.

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48„Genug des leisen Flüsterns!“ Antwort der künstlerischen Emigration

in der Tschechoslowakei auf den aufkommenden Nazismus

besetzt worden war und er deshalb gezwungen war, aus Berlin zu fliehen. Er fuhr ohne ein einziges Gepäckstück los und er war sich voll der Reichweite dieser Ereignisse bewusst. Trotzdem gelang es ihm, einen Teil seines Ver-mögens zu retten, und dank dieser Mittel begann bald in Prag der Malik Verlag zu wirken, der nun seinen Sitz in der Bethlehemgasse (Betlémská ulice) hatte. Die Um-schläge der Bücher, die hier erschienen, zeichneten sich durch die häufige Verwendung von Fotomontagen von Herzfeldes Bruder John Heartfield13 aus, der zur prinzi-pienfesten Persönlichkeit der politischen Fotomontage geworden war. Der Malik Verlag war nicht nur das wesentliche Zentrum der deutschen intellektuellen Exilkreise. Eine enge Ver-bindung führte vor allem zu den tschechoslowakischen Deutschen, die mit dem Verlag zusammenarbeiteten. Der deutsche Schriftsteller Willi Bredel, der in einem Ham-burger Konzentrationslager gesessen hatte, ehe es ihm gelang nach Prag zu flüchten, fand zunächst Zuflucht bei Wieland Herzfelde in der kleinen Küche seines Ver-lages und nach ein paar Wochen wurde Bredel im Ateli-er der Malerin Hella Guth untergebracht. Unter diesen Bedingungen schrieb er seinen Dokumentarroman Die Prüfung. Dieser berichtet von den Methoden in den deut-schen Konzentrationslagern und wurde gerade im Malik Verlag mit Heartfields Umschlag herausgegeben, der die Beziehung zwischen Aufseher und Gefangenem illus-triert. Hella Guth war eine Jüdin deutschböhmischer Herkunft.14 Sie unterstützte viele antinazistische Emig-ranten und ihre nahe Freundschaft mit John Heartfield wurde auch in der gegenseitigen künstlerischen Zusam-menarbeit gewürdigt.15 Die Malerin war Heartfields Mo-dell für die Justicia auf der Fotomontage Der Henker und die Gerechtigkeit,16 die auf die Blindheit des Rechts ver-weist, sofern es sich nach Görings Gesetz von der Rein-heit des Blutes richtet. Ein unterschwelliges Zeichen, das Heartfields Sinn für Sarkasmus bestätigt, ist seine Wahl eines Modells jüdischer Herkunft als Vorbild der deut-schen Justiz der dreißiger Jahre. Zu einer interessanten Zusammenarbeit mit Heartfield kam es bei der Entstehung des Buches Das Herz – ein Schild, einer Auswahl von tschechischer und slowakischer Poe-sie in der deutschen Übersetzung von F. C. Weiskopf.17 In der Einleitung werden die nationalen Momente und Per-sönlichkeiten, die sich für Humanität und Individualis-mus einsetzen, hervorgehoben. Unter den ausgewählten Autoren befinden sich Jaroslav Seifert, Josef Hora und Konstantin Biebl. Der Umschlag überrascht durch die einfache symbolische Bearbeitung des Herzmotivs. Auf die sonst so klare Handschrift Heartfields deutet hier nichts hin. In der Zeit, als in Deutschland die Ausstel-

lung der Großen deutschen Kunst voller heldenhafter Themen vorbereitet wurde, die die übrigen Völker der ei-genen Minderwertigkeit überführen sollte, kommt diese Sammlung tschechischer Poesie als gewisser Gegenpol dieser Selbstgefälligkeit heraus und macht im Gegenteil auf einfache menschliche Momente aufmerksam.

Das sich verstärkende autoritative Diktat für die Kunst Hitlerdeutschlands

Sofern jemand noch Zweifel an der auf den Antimodernis-mus gerichteten Tendenz der nazistischen Politik gehabt hatte, nach den im Juli 1937 in München ausgerichteten Ausstellungen konnte niemand mehr eine eindeutere Ant-wort finden. Zur offiziellen Richtung wurde ein erstarrter Akademismus voller entleerter Konwentionen und einer dem politischen Diktat zu verdankenden normativen Äs-thetik. Die erste Ausstellung trug die Bezeichnung Große Deutsche Kunsausstellung und sollte die Reinheit des deut-schen Schaffens aufzeigen, des tatsächlich arischen, das die Nationalsozialisten propagierten. Die passenden Ex-ponate hatte der Führer selbst ausgewählt und noch am Vorabend der Eröffnung hatte er an die fünfhundert Wer-ke aus der Exposition ausgeschlossen, die seiner Ansicht nach dieser Ehre nicht würdig waren.18 Die zweite Ausstellung fand in Räumen statt, die ge-wöhnlich als Lager dienten, und wurde Entartete Kunst genannt.19 Sie stellte Werke konfiszierter Erzeugnisse der „entarteten“ modernistischen Kunst aus, die – wie Propagandaminister Göbbels verkündete – das deutsche Fühlen beleidigt und der es an Können fehlt.20 Die nazis-tische Ästhetik verwarf die Primitiven und auch religiöse Motive und die Frau wurde lediglich als Mutter der ari-schen Rasse geschätzt. Nach Hitlers Ansicht war die mo-derne Kunst ein Werk der Juden, die für diese unsinnigen Schmierereien lärmende Reklame machten, um sie mög-lichst teuer verkaufen zu können, doch sei es so, dass sie für ihre eigenen Sammlungen nur alte Meister aufkauf-ten.21 Die Ausstellung zeigte aber schließlich, dass hier nur sechs Künstler jüdischer Herkunft von insgesamt einhundertzwölf vertreten waren. Das hierauf folgende Jahrzehnt der Naziherrschaft unterstützte die konserva-tivste offizielle Kunst. Das deutsche Kunstschaffen, das die Entwicklung der Geschichte der Kunst wesentlich be-einflusst hatte, entstand also zu dieser Zeit entweder im Exil oder in der inneren Emigration, wo diese ihre Auto-ren vom eigenen Staat bedroht waren. Thomas Theodor Heine, der zu den ältesten Künstlern in der Emigration gehörte, war ein bedeutender Karikatu-rist des Münchener satirischen Wochenblatts Simplicis-

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Thomas Theodor Heine: Das Moderne Porträt, Prager Presse, 19. 2. 1936.

simus gewesen. Sein Wirken in der Redaktion der Zeit-schrift endete jedoch plötzlich,22 als sich die Mehrheit der Redaktionsmitglieder auf die Seite des neu instal-lierten nazistischen Regimes stellte und die Zeitschrift bald darauf offiziell eine Änderung ihrer Leitung verkün-dete, die mit dem neu installierten Regime in Deutsch-land in Einklang stand.23 Heine drückte sich später in der Emigration mit zwei Karikaturen zu der ausgepräg-ten Haltung Deutschlands zur Kunst aus. Mit der einfa-chen Federzeichnung Das Moderne Porträt stellt er einen Mann vor, der von dem bestellten Porträt seiner Gattin enttäuscht ist und dem der Künstler erklärt: „Nein, Herr Kommerzienrat, Ähnlichkeit ist bei Porträts heuer nicht modern.“ Eine weitere tragikomische Zeichnung mit dem Titel Moderne Familiensorgen entstand bereits nach der Ausstellung Entartete Kunst. Auf ihr sind Kinder mit er-schrockenen Augen zu sehen, hinter deren Rücken ein malender Künstler sitzt, über den die Kinder sagen: „Mit unserem Vater dürfen wir keinen Umgang mehr haben. Er malt entartet.“24 Die Kunst, sei es nun figurative oder abstrakte, ist eine Reaktion und Antwort auf die Wirklichkeit. Es ist daher kein Wunder, dass sie in einer aufgewühlten bis bruta-lisierenden Zeit nicht eindeutig ist. Der Kritiker Laszlo Glozer nannte die wirren 40er Jahre eine „Inkubation-szeit“ und stellte fest: „Die Kollision der Moderne mit der Gegenwartsgeschichte bestimmt bewirkt, dass das Motiv der Freiheit in die Öffentlichkeit gedrungen ist, zum führen-den Motiv der Rezeption wurde … Es beginnt so eine neue Phase der Geschichte der Wirksamkeit: die Geschichte der verstandenen, angenommenen Moderne.“25 Das ergab sich überraschenderweise ebenso für die Nazis, als die Aus-

stellung Entartete Kunst von einer fünfmal so hohen Zahl von Interessenten besucht wurde, als in die Ausstellung der normativen deutschen Kunst gekommen waren. Ent-gegen allen politischen Bemühungen das Denken und die Bedeutungen der Kunst zu beherrschen, kam es gleich-zeitig scheinbar unbeobachtet zur „Revolution der mod-ernen Kunst“, die nicht nur im ästhetischen, sondern auch im gesellschaftlichen Bereich ablief, wie Hans Sedlmayr konstatierte.26 Das Naziregime trug so paradoxerweise durch sein Diktat nicht nur zum Kampf der Künstler für ihr Schaffen bei, sondern auch zu einem größeren Inter-esse und zum Bemühen der Betrachter die eigene moder-ne Epoche zu verstehen.

Die Tematik der antifaschistischen Karikaturen

Auf die Situation, die auf die Große Deutsche Kunstausstel-lung und auf die Ausstellung Entartete Kunst hinsteuerte, hatten die Künstler in Prag jedoch bereits viel früher re-agiert. Die satirische Zeitschrift Der Simplicus (später Der Simpl) vereinigte tschechische und deutsche Künstler mit dem einheitlichen Ziel, für die Freiheit der individu-ellen Äußerung und gegen die Demagogie der politischen Systeme zu kämpfen. Die konservativsten künstlerischen Bewegungen gelang-ten in Deutschland als wertvolles Instrument der poli-tischen Propaganda in den Vordergrund. Die offiziellen Sujets wurden zum Bild der „reinen deutschen Seele“, wo-von sie lebt und was sie formt: die deutsche Landschaft, Verherrlichung der Arbeit, der Mutterschaft und des Hel-

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Chéri, Kleine Korrekturen, Der Simpl 2, 9. 1. 1935.

Erich Godal, Der Tiermaler „Glaub mir, Eva, du bist mein erstes Modell, das ich küsse!“, Der Simpl 5, 30. 1. 1935.

dentums.27 Die Naziästhetik verwarf die Expressionis-ten, die Abstraktion, den Konstruktivismus und die Pri-mitiven. Sie schuf eigene anerkannte Sujets, wo die Frau einen Wert nur als Mutter der arischen Rasse hatte oder als Stimulus für die Soldaten, die an der Front für das Vaterland kämpfen. Die Moderne Kunst wurde darüber hinaus mit dem Individualismus in Verbindung gebracht, was für die totalitäre Massengesellschaft eine Gefahr be-deutete. Erich Godal parodiert diese Entwicklung, die zu einer beschränkten und schablonenhaften Thematik der Werke führte, in der Karikatur Der Tiermaler, wo ein Künstler seinem Modell versichert, sie sei das einzige Modell, das er zu küssen gedenke. Die Kritik der Zeitschrift Der Simplicus war in Wort und Bild gegen das Dritte Reich gerichtet. Das Schaffen kön-nen wir in mehrere Themenkreise gliedern, von denen einige absichtlich von diesen vom Nazismus anerkann-ten Sujets ausgehen oder an dessen erniedrigende Klas-sifizierung der modernen Kunst in dem zur Ausstellung Entartete Kunst herausgegebenen Katalog anknüpfen. In beiden Fällen bemühen sich die Künstler in der Form der Karikatur auf die Gefahren der Demagogie des Nazisys-tems hinzuweisen, das die Kunst und die gesamte Gesell-schaft manipulierte. Eines der dominanten Themen der Zeitschrift Der Simpli-cus war der Angriff auf den deutschen militärischen „He-roismus“. Im Katalog Entartete Kunst wurden diese Me-thoden als Darstellung der deutschen Soldaten als Idioten, sexuell Degenerierte und Trunkenbolde bezeichnet.28 Ge-genstand der Karikaturen war nämlich der Spott über die germanische „Tapferkeit“ geworden. Die Autoren verwie-sen auf das tatsächliche Verhalten der Militärvertreter, das im Gegenteil das Vorbild des deutschen Kriegshel-den beschädigte. Erich Godal beschäftigte sich in sei-nen Zeichnungen vor allem mit dem sozialen Verhalten, wenn er auf die Korrumpiertheit der Soldaten und auf die Beschmutzung ihrer Uniformen bei wilden Saufabenden mit leichten Damen in öffentlichen Häusern hinwies. Der Karikaturist Bert wiederum ironisierte die Suche nach dem germanischen Helden in der Geschichte. Die Sol-daten stellte er als stumpfsinnige Barbaren in gotischen Helmen mit mittelalterlicher Ausrüstung dar oder ver-glich mit diesem Vorbild die tatsächlichen Spitzenreprä-sentanten der Nazis in der Karikatur Der Germane muss blond sein wie Hitler, hoch gewachsen wie Göring, schlank wie Goebbels und männlich wie Röhm.29

Im Katalog Entartete Kunst waren einige Künstler in die Kategorie Schamloser Spott über religiöse Vorstellungen eingeordnet. Die Nazipropaganda hatte nämlich neue Ikonen auf den Altar gestellt, wie die Führer der Partei. Darauf reagierte Erich Godal in einem Zyklus mit dem Ti-

„Genug des leisen Flüsterns!“ Antwort der künstlerischen Emigration

in der Tschechoslowakei auf den aufkommenden Nazismus

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tel Neue deutsche Christen,30 wo er sein Spiel mit den Lei-denschaften der Menschen trieb, die den einzigen Vater Hitler bekennen und sich untereinander mit religiösen und politischen Symbolen hinmorden. Bert hielt das neu-zeitliche „Märtyrertum“ der deutschen Soldaten fest, die – wohl in der Hoffnung auf die Auferstehung entschlossen ihr Leben für das Dritte Reich hingeben. Auf seiner Il-lustration ist einer von ihnen gekreuzigt auf einem mit Blumen und Grabkreuzen übersäten Hügel.31 Eine weitere Kategorie, die im Ausstellungskatalog als Systematische Untergrabung des Rassebewusstseins bezeich-net wurde, charakterisierte eher die eigenen Taten der Nazis. Diese Problematik wurde zu einem grundlegenden Sujet im Programm der Karikaturisten. Bert wies auf die Widersinnigkeit hin, eine Rasse überhaupt irgendeiner anderen überzuordnen, und Ludwig Wronkow führte die Wertschätzung ihrer Reinheit ad absurdum, wenn er in dem Werk In unserer Familie sind wir einander alle bis auf ein Haar ähnlich! die Familienangehörigen nebeneinander anordnet und allen einschließlich dem Baby im Kinderwa-gen anstatt der Gesichter Gasmasken zeichnet.32

Die Nazis hielten es für erforderlich, das deutsche Volk ständig in der Überzeugung zu halten, dass der Glaube an ein einiges und starkes Deutschland richtig ist.. Da-mit es nicht zu eventuellen Zweifeln in dieser Sache kam, musste an alles immer wieder erinnert werden. Hitler verstand es, wie kein anderer vor ihm, die beginnende mediale Ära politisch zu nutzen und hatte begriffen, dass das Radio und der Film die Massen beherrschen werden. Dessen wurden sich auch die Künstler der satirischen Zeitschrift Simplicus bewusst, und deshalb eine ihrer Nummern vollständig dem Rundfunk gewidmet. Auf dem Einleitungsblatt erschien eine Arbeit von Erich Godal mit dem Titel Die letzte Sendung, auf der ein Rundfunk-sprecher mit einer um den Hals hängenden Gasmaske

bemüht, aus den Trümmern eines bombardierten Hau-ses immer noch zu senden und die Bewohner zu beruhi-gen, als geschehe nichts Ernsthaftes: „Meine Damen und Herren, nun hören Sie Tanzmusik von Grammofonplatten.“

33 Konnte doch wohl nur eine durch Parademärsche pa-ralysierte Masse die Erwartungen der Nazis von der An-kunft des großdeutschen Reichs erfüllen. Der Künstler Günther Wagner zeichnete Hitler, wie er ereifert in ein Rundfunkmikrofon schreit, aus dem am anderen Ende schneidend geschriene Parolen wie „Rasse, jüdisches Blut, Abschaum“ herauskommen und Mäzenatinnen dieser Sendung, die auf der anderen Seite des Apparats zuhö-ren, gemeinsam Hitlers Diktion und Sex Appeal bewun-dern.34 Johannes Wüsten konzentrierte sich auf einen anderen gesellschaftlichen Typ von Hörern. In dem Werk Illegale Sendung zeigte er die erschrockenen Gesichter von Menschen, die voller Befürchtungen den Nachrich-ten der oppositionellen Radiowellen lauschen, die zuerst nur in Andeutungen die erahnten Folgen der politischen Machinationen brachtenVon der künstlerischen Seite her brachte die Zeitschrift Simplicus eine Reihe qualitätvoller Werke. Dazu verhal-fen viele Persönlichkeiten, die sich unter anderen Um-ständen offensichtlich nie mit Hilfe der Karikatur aus-gedrückt hätten. Im Vordergrund stand bei ihnen jedoch das Interesse, auf die politische Situation zu reagieren und auf die mechanische Verurteilung ihres Schaffens in die Schubladen der entarteten Kunst zu antworten. Nach dem Jahr 1935 verschlechterte sich die Situation für die Flüchtlinge in der Tschechoslowakei nicht nur unter fi-nanziellem Aspekts, sondern auch die Eingriffe der Zen-sur wurden ebenfalls um vieles häufiger. Diese Schwie-rigkeiten trafen auch die Tätigkeit der Künstler um die Zeitschrift Simplicus und diese war nach zweijähriger gezwungen, ihre Tätigkeit einzustellen.

Bert, S. A. Funus? Letzter Marsch der Aktivisten. Der Simplicus 25, 12. 7. 1934.

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in der Tschechoslowakei auf den aufkommenden Nazismus

Bemerkungen

1 Foster / Kraussova / Bois / Buchloh 2007, S. 282 2 Von den bildenden Künstlern, die die Rückkehr in die Tschechoslowakei wählten, waren das beispielsweise Friedrich Feigl, Hugo Steiner-Prag oder Ernst Neuschul. 3 Pánková 2002, S. 291. 4 Čapková / Frankl 2008, S. 171. 5 Hier traf sich im Frühjahr 1933 nach einer dramatischen Flucht der Künstler John Heartfield mit seinem Bruder, dem Verleger Wieland Herzfeld, der bereits früher nach

Prag gekommen war, um die Übersiedelung des Malik-Verlags zu gewährleisten. 6 Becher / Heumos 1992, S. 23. 7 Bruder des Künstlers John Heartfield. Ausführlicher über deren Tätigkeit und über den Malik-Verlag im folgenden Kapitel. 8 Später begann sie unter dem Titel Volks-Illustrierte herauszukommen. Chefredakteur war F. C. Weiskopf und hier arbeiteten unter anderen Oskar Maria Graf, Egon

Erwin Kisch, František Bidlo, Arnold Zweig und Johannes Wüsten. 9 Erschien ab Januar ledna 1934 und als Der Simpl ab Seprtember 1934. Zunächst in einer tschechischen und einer deutschen Mutation.10 Weiter unter dem Titel Deutsche Volkszeitung. Neben Informationen über die Politik des Dritten Reiches druckte sie auch Beiträge von Berthold Brecht, Willi Bredel,

Lion Feuchtwanger, Egona Erwina Kisch und F. C. Weiskopf.11 Veselý 1983, S. 66.12 Der Malik-Verlag wurde von den Brüdern Wieland Herzfelde und John Heartfield im Jahr 1917 in Berlin gegründet, herausgegeben wurde auch die Zeitschrift Neue Jugend,

in der die ersten Collagen von John Heartfield und George Groz abgedruckt wurden. Beide Brüder waren zugleich bedeutende Vertreter der Berliner Dada-Bewegung.13 Mit eigentlichem Namen Helmut Herzfeld – das Pseudonym John Heartfield hatte er während des Ersten Weltkriegs zum Protest gegen die chauvinistische Parole des

Wilhelminischen Deutschland „Gott strafe Englend“ angenommen. Der Künstler war gezwungen Deutschland zu verlassen und überschritt unter dramatischen Um-standen in einem Schneesturm das Riesengebirge. In Prag kam er im April 1933 an. Er kontaktierte hier nicht nur seinen Bruder Wieland, sondern auch F. C. Weiskopf, dessen Frau eine Schwester von Heartfields Schwägerin war und der ihm hier halff eine Wohnung zu finden.

14 Senenko 2001, S. 19-25. 15 Zu Heartfields Freunden gehörten auch die Fotografen Vladimír Hnízdo und Tibor Honty, der die Fotografie von Hella Guth während ihrer Prager Zeit geschaffen hat,

In: http://www.hagalil.com/01/de/Europa.php?itemid=1930.16 Der Henker und die Gerechtigkeit, AIZ 47, 30.11.1933.17 F. C. Weiskopf, Das Herz – ein Schild. Lyrik der Tschechen und Slowaken, Prag 1937.18 Schröderová 2006, S. 39.19 Ausführlicher behandelt diese Ausstellung Stephanie Barron, Degenerate art. The fate of the avant-garde in Nazi Germany. Los Angeles 1991. - Oder Christoph Zuschlag,

Entartete Kunst. Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland. Worms 1995.20 Foster / Kraussová / Bois / Buchloh 2007, S. 281–283.21 Schröderová 2006, S. 38.22 J. Rejzek führt in dem Artikel Šťastná léta Th. Th. Heineho [Die glücklichen Jahre des Th. Th. Heine] aus dem Februar 1948 für die Zeitung Lidové noviny an, dass Heine am

Zutritt zur Redaktion gehindert wurde. Hugo Feigl jedoch schreibt von einer Flucht Heines aus der Redaktion, ald er von den Kollegen erharen hatte, dass die Gestapo hinter ihm her war. In: Soukuová / Stará 1963, S. 93.

23 In der Redaktion verblieben von Heines Kollegen Karl Arnold, Olaf Gulbransson, Eduard Thöny, Eric Schilling und William Schulz, was die Eemigration in der Tsche-choslowakei sehr empörte. Klaus Mann reagierte in dem Artikel Der Simplicissimus. In: Das Neue Tagebuch, 1937, S. 214; und Antonín Pelc mit der Karikatur Die Speichel-lecker. In: Umsonst geleckt, Der Simplicus 1, 25.1.1934, Praha. Das war zugleich auch die erste Nummer der Zeitschrift.

24 Das Moderne Porträt, Prager Presse, 19.2.1936. Moderne Familiensorgen, Prager Tagblatt, 10.10.1937.25 Ruhberg 2004, S. 220.26 Hans Sedlmayr war von 1932 an Mitglied der österreichischen NSDAP. 27 Mikulová 2002, S. 205.28 Bezeichnungen der Kategorien aus dem Katalog Entartete Kunst in:.29 Erich Godal, Začátek konce. Německá hrdinná smrt [Der Anfang des Endes. Der deutsche Heldentod]. Das III. Reich in der Karikatur, Prag 1934. – Bert, Germán musí býti

[Der Germane muss sein…]. Der Simplicus 5, 22.2.1934.30 Erich Godal: Cyklus Noví němečtí křesťané [Die neuen deutschen Christen]. Das III. Reich in der Karikatur, Praha 1934.31 Bert, Zmrtvýchvstání [Auferstehung], Der Simpl II., Nr. 16, 17.4.193532 Ludwig Wronkow, V naší rodině jsme si všichni navlas podobní! [In unserer Familie sind alle bis aufs Haar gleich!], Praha 1938. Institut für die Erforschung von Periodika

in Dortmund, II AK 85/98 – 3. 33 Erich Godal, Poslední vysílání [Die letzte Sendung], Der Simpl 12 (36), 12.12.1934.34 Pjotr, Sex appeal, Der Simpl 12 (46), 12. 12. 1934.

Literatura

Archivalische QuellenErich Arnold Bischof, NA ČR, Fond: Policejní ředitelství, Sign. B 1831/9. Erich Godal Goldbaum, NA ČR, Fond: Policejní ředitelství, Sign. G 515/22Oskar Kokoschka, NA ČR, Fond: Policejní ředitelství, Sign. K 2392/9.Helmut Herzfeld, NA ČR, Fond: Policejní ředitelství, Sign. H 1723/6.Thomas Theodor Heine, NA ČR, Fond: Policejní ředitelství, Sign. H 1411/12.Wieland Herzfeld, NA ČR, Fond: Policejní ředitelství, Sign. H 1723/7. Ludvik Wronkov, NA ČR, Fond: Policejní ředitelství, Sign. V 4392/32. Johannes Wüsten, NA ČR, Fond: Policejní ředitelství, Sign. V 2848/36.

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Quellen

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Der Sammelband der ausgewählten Beiträgen aus dem Symposium, das in der GAVU Cheb am 27. und 28. Juni von der Galerie der bildenden Kunst in Eger / Cheb, der Regionalgalerie in Reichenberg / Liberec und Festival Mitte Europa organisiert wurde.Kuratoren des Symposiums: Mgr. Marcel Fišer, PhD. /GAVU Cheb/, Anna Habánová, M. A. /OG Liberec/.Herausgeber: Galerie der bildenden Kunst in Eger / Cheb.Das Projekt wurde vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds unterstützt.Texte: Marcel Fišer, Kurt Ifkovits, Božena Vachudová, Jan Mohr, Anna Habánová, Bronislava Rokytová.Übersetzung: Eva Císlerová. Diese Publikation wird in elektronischer Form herausgegeben.ISBN: 978-80-87395-07-3

kunsthistorisches Symposium, das dem Werk deutscher und deutsch-sprachiger Künstler und Architekten, die in Böhmen, Mähren und Schlesien vor 1945 tätig waren, gewidmet ist


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