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Beilage zur Wochenzeitung 8. September 2003 Aus Politik und Zeitgeschichte 3 Rafik Schami Essay Ein arabisches Dilemma 6 Salwa Bakr/Basem Ezbidi/Dato` Mohammed Jawhar Hassan/Fikret Karcic/Hanan Kassab-Hassan/Mazhar Zaidi Die muslimische Welt und der Westen 15 Sabine Riedel Der Islam als Faktor in der internationalen Politik 25 Ulrike Freitag Der Islam in der arabischen Welt 32 Bernhard J. Trautner Zum ¹peripheren Islamª in Sçdostasien 41 Roman Loimeier Der Islam im subsaharischen Afrika 49 Michael Lçders Macht und Glauben in Zentralasien B 37/2003
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Salwa Bakr/Basem Ezbidi/Dato‘ Mohammed Jawhar Hassan/Fikret Karcic/Hanan Kassab-Hassan/Mazhar Zaidi

Die muslimische Welt und der Westen

Dieser Bericht1 erscheint zu einem Zeitpunkt, dasich eine weitere Abfolge tragischer Ereignisse inder Geschichte der Beziehungen zwischen dermuslimischen Welt und dem Westen vollzieht. DieAnschläge vom 11. September 2001 haben nichtnur die USA traumatisiert, sondern kennzeichnenzugleich den Beginn eines neuen Zeitalters. Ihnenfolgte die Kampagne gegen den internationalenTerrorismus, der Angriff auf Afghanistan, derKrieg gegen den Irak und dessen Besetzung undschließlich die Drohungen der USA gegen Syrienund den Iran.

Obwohl kein einziges dieser Ereignisse offiziellvom „Islam“ oder dem „Westen“ an sich zu ver-antworten war, sondern von ganz bestimmtenAkteuren aus der muslimischen und der westli-chen Welt, haben sie dennoch dazu beigetragen,den bereits bestehenden Riss zwischen beiden Sei-ten zu verbreitern. Die jetzige instabile Situationzeigt auf dramatische Weise die Notwendigkeitsowohl für die muslimischen als auch für die west-lichen Gesellschaften, die sie trennenden Fragenund die Faktoren, die zu Missverständnissen,Spannungen und Konflikten führen, zu begreifen.

Diese Veröffentlichung zeichnet sich anderengegenüber dadurch aus, dass sie eine muslimischePerspektive auf die Beziehungen zwischen dermuslimischen Welt und dem Westen darstellt. Sieverkörpert die Arbeit von sechs Intellektuellen –drei aus dem Nahen Osten, einer aus Europa, zweiaus Süd- bzw. Südostasien. Diese Frauen und Män-ner haben ganz verschiedene historische, kultu-relle, ethnische und sprachliche Hintergründe.Auch vertreten sie völlig verschiedene Disziplinen.Während der gemeinsamen Arbeit an diesemBericht war es für sie alle überraschend festzustel-len, dass sie eine bemerkenswerte Ähnlichkeit inihren Auffassungen über grundlegende Fragen tei-

len, welche die Beziehungen zwischen der musli-mischen Welt und dem Westen charakterisieren.

Faire, ausgewogene Interaktion zwischen zwei Sei-ten kann dem wechselseitigen Verständnis Impulsegeben und es stärken, es kann Frieden und Zusam-menarbeit erleichtern. Damit ein solcher Dialogaber die beabsichtigten Ziele erreicht, muss er vonder Prämisse ausgehen, dass keine Seite gezwun-gen ist, ihr Denken oder Verhalten von vornhereinaufzugeben. Beides muss wechselseitig als prinzipi-ell nützlich und legitim akzeptiert werden, auchaus der Sicht der anderen Seite. Die Frage stelltsich dann nicht mehr, wer besser oder überlegenerist, sondern eher: Wer anerkennt und akzeptiertden anderen in seinem Bestreben, sein Selbst dar-zulegen und auszudrücken? Ein solches Dialogver-halten würde das jeweils andere Denken und Ver-halten bereichern und stärken. Unter solchenBedingungen wäre der Dialog hoffentlich in derLage, negative Wahrnehmungen und Stereotypenabzubauen, die Feindseligkeit und ablehnendeHaltung durch Verständnis und Kooperation zuersetzen. Dieser Bericht ist unser Beitrag, einensolchen Dialog anzuregen.

I. Die Beziehungen zwischen dermuslimischen Welt und dem Westen

In den vergangenen fünf Jahrzehnten haben sichSeminare, Konferenzen und die politikwissen-schaftliche Forschung in der Regel mit dem Ost-West- oder dem Nord-Süd-Konflikt befasst. Abernoch vor dem 11. September 2001 kam eine andereWahrnehmung grundlegender politischer und kul-tureller Widersprüche auf – die muslimische Weltwurde dem Westen gegenübergestellt, ein „clashof civilizations“ postuliert. Der Hintergrund dieseswahrgenommenen Konflikts, der auf religiösenund kulturellen Kriterien beruht, ist nicht nurkompliziert, sondern auch problematisch. Einerder Gründe dafür ist der Gebrauch einer mehrdeu-tigen Terminologie.

Die Beschreibung der muslimischen und der west-lichen Welt als zwei sich gegenüberstehende undwidersprechende Pole schafft eine dualistische

1 Der Bericht „Der Islam und der Westen – eine islamischePerspektive“ wird vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa)Stuttgart herausgegeben und erscheint Mitte November inenglischer, deutscher und arabischer Sprache. Er ist Teil des ifaForum Dialog und Verständigung, eines Programms des ifa imRahmen des Sonderprogramms des Auswärtigen Amtes zum„Europäisch-islamischen Kulturdialog“. Der vollständige Textwird ab November auf der homepage des ifa (www.ifa.de)veröffentlicht bzw. kann unter islam- [email protected] bestelltwerden.

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Interpretation der Beziehung, die viele Facettenoder Ausnahmen außer Acht lässt. Im Grundeignoriert sie die innere Heterogenität auf beidenSeiten. Sie missachtet aber auch die grundlegendeTatsache, dass „Kulturen“ und Gesellschaftenkeine festen, dauerhaften Gebilde sind, sondernsich in einem Zustand permanenter Veränderungbefinden. Auch berücksichtigt diese Beschreibungnicht die allgegenwärtige Vermischung, die ständi-gen Überschneidungen und Gemengelagen unterden Kulturen.

Was ist der Westen? Handelt es sich bei ihm umeine Welt, in der nur reine Europäer in dergemeinsamen christlichen Tradition leben, imGegensatz zu einer ethnisch und religiös anderen,muslimischen Welt? Da die westlichen Länder dieHeimat von Millionen von muslimischen Migran-ten aus Asien und Afrika sind – viele von ihnenbesitzen eine europäische Staatsbürgerschaft –,verliert die Aufteilung ihre Schärfe. Viele dieserEinwanderer haben sich die westliche Lebensartangeeignet, sich assimiliert und sind ein Teil vonihr geworden. Zudem haben die muslimischenMigranten die westlichen Gesellschaften beein-flusst. Ihre Traditionen, ihre Kunst und ihre Küchewurden allmählich zu kulturellen Elementen imAlltag in Europa und in den Vereinigten Staaten.Wir sollten auch nicht die Einflüsse der islami-schen Zivilisation auf die westliche Kultur in frü-heren Jahrhunderten vergessen: Naturwissenschaf-ten, Medizin und Philosophie in Europa wärennicht auf ihrem heutigen Stand ohne die arabi-schen Anregungen im Laufe der Jahrhunderte.Sogar die antike Philosophie, ein Symbol der„westlichen Kultur“, wurde in Europa nur überdie Werke muslimischer Gelehrter aufgenommen.Was ist der Westen für uns? Ist es das Christen-tum? Ist es Säkularisierung oder Atheismus? Ist esein Symbol der Macht oder der ökonomischenEffizienz? Wird der Westen durch die Aufklärungund die Menschenrechte vertreten? Oder durchFaschismus, Rassismus und den Holocaust – oderdurch all das? Definieren wir den Westen überseine Kunst und Kultur, sein Konsumdenken oderseine Technologie? Als homogene Einheit existiertder Westen nicht; er ist eine vage Vorstellung vol-ler Widersprüche.

Aus demselben Grund können wir nicht von einerreinen, klar definierten muslimischen Gesellschaftsprechen, die von der westlichen Zivilisation undKultur nicht beeinflusst wäre. Die modernenKommunikationsmittel haben westliche Einflüssesogar bis in solch konservative muslimische Gesell-schaften wie Saudi-Arabien hineingetragen. Undwir sollten auch nicht vergessen, dass die muslimi-sche Welt in sich genauso heterogen und von inne-

ren Widersprüchen gekennzeichnet ist wie derWesten.

Gibt es eine eindeutige Trennungslinie, die dieindustrialisierte westliche Welt von den sich ent-wickelnden muslimischen Ländern unterscheidet?Wenn die Medien den Westen der muslimischenWelt gegenüberstellen, dann sind die Bilder Letz-terer häufig von Rückständigkeit geprägt, von reli-giösem Fanatismus, Unterdrückung, fehlendenFreiheiten und Menschenrechten vor allem für dieFrauen. Das öffentliche Bild wird sogar noch nega-tiver, wenn die gängige Assoziation zwischen Islamund Terrorismus hinzugefügt wird. Im Westen wer-den die Muslime zunehmend als Barbaren gezeich-net, wobei die wichtige Rolle, die ihre Zivilisationin der Entwicklung der Menschheit gespielt hat,ignoriert wird.

Auch wenn diese westliche Wahrnehmung inbestimmter Hinsicht einen Kern von Wahrheitbeinhalten mag, so bleibt sie dennoch eine unge-rechte Verallgemeinerung. Wenn sie immer wiedertagtäglich von den Medien und konservativen poli-tischen Führern und Intellektuellen verbreitetwird, dann mutiert sie zu Stereotypen und Vorur-teilen. Rassismus und Feindseligkeit gegen all die,die der muslimischen Welt angehören, werdengeschürt, ohne dass unterschieden würde zwischendenen, die bewusst gewalttätige Haltungen pfle-gen, und jenen, die vor Ort unter deren Folgen zuleiden haben.

Es gibt keine klar definierte muslimische Welt.Der Versuch, sie zu definieren, führt zu vagen All-gemeinheiten, vernachlässigt die Unterschiede,Widersprüche und inneren Konflikte. Der Ruf zurWiedererrichtung der islamischen „Umma“, wiesie einmal war, hat lediglich die „Organisation Isla-mischer Staaten“ hervorgebracht. Insofern könnenwir nicht von der Existenz einer monolithischenKraft namens „muslimische Welt“ ausgehen, dieman als Bedrohung für den wirtschaftlich und mili-tärisch viel stärkeren Westen betrachten könnte.

Die muslimische Welt ist auch keine geographischzu definierende Einheit. Vielmehr handelt es sichum eine lose Gruppierung wie andere auch, diesich innerhalb der blockfreien Länder oder aus derDritten Welt herausgebildet hat. Wir würden sogarbehaupten, dass das Band des Nationalismus inder muslimischen Welt stärker und weiter verbrei-tet ist als das der Religion.

Gerade dieser Gesichtspunkt muss in Bezug aufLänder wie Irak und den Iran betont werden.Beide sind muslimische Länder, haben aber ihreeigenen nationalen Interessen, die sie durch einenlangen, blutigen Krieg durchzusetzen versuchten.Ein weiteres Beispiel: Iran hat sich im Kaschmir-

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konflikt auf die Seite Indiens geschlagen und nichtPakistan unterstützt, das auch ein muslimischesLand ist. Viele Beispiele zeigen, dass politischeBindungen und Ideologien sich über religiöseGemeinsamkeiten hinwegsetzen.

Es ist wahr – die Beziehung zwischen den Musli-men und dem Westen scheint auf einen Kollisions-kurs hinzusteuern, wie die Gewalt und die Kriegeder letzten zwei Jahre vermeintlich belegen. Aberdie tatsächlichen politischen und ökonomischenBeziehungen sind viel komplexer. Zwischen ver-schiedenen Ländern der muslimischen Welt undEuropa sowie den Vereinigten Staaten besteht einintensiver Handelsaustausch. Sogar sehr konserva-tive muslimische Länder wie Saudi-Arabien habenkeine Vorbehalte, ihr Geld im Westen zu investie-ren, mit westlichen Ländern zu kooperieren undsogar US-Soldaten bei sich aufzunehmen. Daszeigt, dass die westlich-muslimischen Beziehungennicht zuallererst durch Religion oder Ideologiemotiviert sind.

II. Die jetzige Konfrontation

Die offensichtliche westliche Feindseligkeit gegen-über den muslimischen Ländern ist nicht Ergebnisihrer religiösen Orientierung. Die Gründe zurAblehnung eines Beitritts der Türkei zur EU sindvor allem wirtschaftlicher Art. Das umfasst auchdie Migrationsproblematik. Auch erfüllen dienationalen Gesetze der Türkei noch nicht diedemokratischen Kriterien Europas. Nur in gerin-gem Maße ist die Religion der Türkei, der Islam,ein Faktor. Sogar die Vereinigten Staaten, die heut-zutage den Muslimen ziemlich feindlich gesonnensind, richten ihre Politik gegenüber anderen Natio-nen, ethnischen Gruppen und Religionen vor allemnach ihren strategischen Interessen, nicht nach reli-giöser Zugehörigkeit aus. So haben die USAzugunsten der muslimischen Bosnier gegen diechristlichen Serben interveniert. Die Ursachen fürden Angriff der USA gegen Afghanistan warenweder der Islam noch die Muslime, sondern siewaren geopolitischer Natur. Die Losung lautete:Kampf dem Terrorismus. Früher hatten die USAsogar die islamischen „Mudjahedin“ und ihren Dji-had gegen die Sowjetunion unterstützt. Der Irakbildet hier keine Ausnahme, denn die USA habendas Land wiederholt bedroht und sind sogar dorteinmarschiert, obwohl es ein säkularer Staat ist –also nicht wegen der muslimischen Bevölkerung,sondern aus politischen Gründen.

Ein Element des Konflikts zwischen der muslimi-schen und der westlichen Welt entspringt einer

Dichotomie in der Denkweise zwischen Fanati-kern und Aufklärern auf beiden Seiten. DieserKonflikt zwischen Offenheit und Intoleranz istnicht auf die muslimische Welt beschränkt. Erexistiert in fast allen Religionen. Die Intoleranz,die die islamistischen, fundamentalistischen Bewe-gungen vertreten, ist durchaus vergleichbar miteinem ganz ähnlichen Fanatismus unter den funda-mentalistischen Kirchen in den Vereinigten Staa-ten oder bei jüdischen Extremisten innerhalb undaußerhalb Israels. Wir können zurzeit beobachten,wie dogmatische religiöse Positionen die interna-tionalen Beziehungen beeinflussen. Wir sehenauch, dass sie Hass unter den Religionen und inder Bevölkerung innerhalb von Nationen säensowie auf globaler Ebene unter den Völkern in derganzen Welt. Solche bösartigen Gefühle sind nichtleicht einzudämmen, da sie eine Form absoluterAblehnung des Anderen beinhalten, der als Feindbetrachtet wird, der auszurotten ist. Das ist eingravierendes Problem, das von den muslimischenund westlichen Gesellschaften geteilt wird.

III. Wichtige Fragen

Die Beziehungen zwischen der muslimischen Weltund dem Westen korrelieren heute grundlegendmit bedeutsamen politischen Themen, die primärFolgendes umfassen: die Palästinafrage und dieHaltung des Westens im arabisch-israelischenKonflikt; die Irakfrage – der Krieg gegen den Irakund seine Besetzung durch amerikanische und bri-tische Truppen; die potenziell gefährlichen Szena-rien, die in den USA öffentlich diskutiert werdenund Pläne für weitere radikale Veränderungen inder Region enthalten, einschließlich Drohungengegen Syrien und den Iran; weitere, verschiedeneProbleme, die muslimische Regionen betreffen:der innere Kampf um Reformen im Iran, die Situa-tion auf dem Balkan (die Kosovofrage und dermazedonisch-albanische Konflikt), Tschetsche-nien, Kaschmir, Afghanistan, die Lage der Mus-lime in China und schließlich die Bemühungen derTürkei und der muslimischen Staaten auf dem Bal-kan, Mitglieder in der EU zu werden.

Um die muslimisch-westlichen Beziehungen realis-tisch beurteilen zu können, ist es unabdingbar, dieUnterschiede zwischen den verschiedenen westli-chen Mächten zu beachten. Wir müssen zwischenden USA und den Ländern der EU differenzierenund die Unterschiede innerhalb Europas anerken-nen, so z. B. zwischen denen, die ihre engen Bin-dungen zu den USA betonen und den USA inihrer Position gegenüber Irak folgen, und den Län-

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dern, die als „das alte Europa“ bezeichnet wurden,welche gezögert haben, die Strategie Washingtonszu unterstützen. Die erklärte Außenpolitik Frank-reichs, Deutschlands und Belgiens war gegen denKrieg der USA in Irak gerichtet und bestand aufeiner entscheidenden Rolle der Vereinten Natio-nen. Diese Politik geriet in Konflikt mit denextremen Positionen, die die USA von Europaverlangten. Die Hauptkonfliktlinie in der Politikgegenüber Irak verlief nicht zwischen den muslimi-schen Ländern und dem Westen, sondern vielmehrzwischen den westlichen Ländern.

IV. Wie kann man den Teufelskreisdurchbrechen?

Wir scheinen in einen Teufelskreis aus gegenseiti-ger Gewalt geraten zu sein, der nur durch einegrundlegende Änderung der westlichen Außenpo-litik durchbrochen werden kann. Dazu brauchenwir dringend ernsthafte Versuche, das Völkerrechtwieder zu stärken, das von den USA vor und wäh-rend des Irak-Krieges missachtet und ernsthaftbeschädigt worden ist. Es muss wieder zum leiten-den Grundprinzip in den zwischenstaatlichenBeziehungen werden. Ein solcher Politikwechselsollte auf einer Wiederbelebung der Rolle der Ver-einten Nationen und ihrer Unterorganisationenberuhen.

Diese nötige Änderung in der internationalenPolitik könnte Reformen im Nahen Osten und inden muslimischen Ländern allgemein möglichmachen sowie auf lange Sicht eine Kultur derGewaltlosigkeit entwickeln helfen. Ein solcherWandel wird sicher Zeit benötigen und schwerdurchzusetzen sein, er stellte allerdings eine drin-gend notwendige, grundlegende Wende dar. DerErfolg einer solchen Transformation hängt voneiner Reduzierung der Spannungen in der Regionab, die durch die Verminderung der Unterdrü-ckung in den dortigen Ländern erreicht werdenkann. Mehr Demokratie und Freiheit sind für diedortigen Völker nötig, die seit langem an Unter-drückung und Missachtung ihrer Interessen leiden.Das ist aus innenpolitischen Gründen notwendigund würde zugleich den Raum für interkulturelleKooperation erweitern.

Auf der politischen Ebene sollte den Organisatio-nen und Institutionen der Zivilgesellschaft einegrößere Rolle eingeräumt werden. Solche Institu-tionen könnten als moralische Kontrollinstanzenüber die Herrschenden und ihre politischen Ent-scheidungen dienen. Sie könnten die Bemühungen

der jüngeren Generationen fördern, ihre Gesell-schaften politisch und sozial zu entwickeln. DieStärkung der Bürger- und zivilgesellschaftlichenBeteiligung und Verantwortung könnten das ideo-logische Vakuum füllen, das nach dem Sturz dertraditionellen politischen Systeme oder deren Ver-lust an Legitimation eingetreten ist und zur Entste-hung des Fanatismus geführt hat.

Intellektuelle, Journalisten, Lehrer und Entschei-dungsträger im Westen wie in den muslimischenLändern sollten sich verstärkt bemühen, das Ver-ständnis und Gefühl eines gemeinsamen mensch-lichen Erbes zu stärken. Sie könnten helfen, diegemeinsamen Werte Toleranz, Anerkennung derDifferenzen und Respekt für das Spezifische anjeder Zivilisation, Kultur und Religion zu verbrei-ten und zu vertiefen. Sie sollten auch die Notwen-digkeit des Dialogs und der Meinungsfreiheit beto-nen, indem sie Begegnungen junger Leute undIntellektueller organisieren und die Schaffung vonDialogzentren anstreben, um die beiderseitigenVorurteile und Stereotypen zu beseitigen.

Wir sollten uns bewusst sein, dass die Ereignissedes 11. September 2001 und die Kriege gegenAfghanistan und den Irak die Spannungen zwi-schen der muslimischen Welt und dem Westenerhöht haben. Die Stärkung des gegenseitigen Ver-stehens ist schwieriger geworden. Gewalt als Mit-tel des Umgangs miteinander scheint auf breitereZustimmung zu stoßen. Andererseits haben diesekatastrophalen Geschehnisse eine Neubewertungunserer Beziehung in einigen Teilen unsererGesellschaften in Gang gesetzt.

Wir dürfen hoffen, dass ein positiver Nebeneffektdes 11. September 2001 darin besteht, dass er –gerade wegen seines erschreckenden und hochemotionalen Charakters – zu einer Revision unse-rer Werte und Vorstellungen und einer Neubestim-mung ihrer Rolle im politischen Raum führenwird. Das könnte zu einer Erneuerung der Rolleder Kultur als signifikanter Faktor in der Beein-flussung der internationalen Politik führen, nach-dem sie lange genug, im Vergleich zur Wirtschaftund politisch-militärischen Strategie, benachteiligtwar.

In mehreren Ländern sind wir heute Zeuge einerEntstehung von Jugendbewegungen, die einbesonderes Interesse für das hegen, was in derWelt passiert. Solche Bewegungen zeigen ein star-kes Bestreben, die internationale öffentliche Mei-nung zu beeinflussen, um politische Entscheidun-gen auf globaler Ebene mitbestimmen zu können.Wir hoffen, dass diese junge Generation den Dia-log und das gegenseitige Verständnis zwischen denZivilisationen in Zukunft erfolgreich führen wird.

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V. Regierungsführung und Entwick-lung in der muslimischen Welt

Mangelhafte Regierungsführung und Unterent-wicklung in vielen Teilen der muslimischen Welthaben dazu beigetragen, die Beziehungen zumWesten zu erschweren, da sie einschneidendeMachtgefälle produzierten und so die Manipula-tionen, Dominanz und ungerechte Behandlung derschwächeren muslimischen Welt durch denWesten, vor allem durch die Vereinigten Staaten,begünstigt haben. Die große Kluft in der Entwick-lung produziert Vorurteile, Neid und Verachtung,die, zusammen mit anderen Faktoren, die Span-nungen und Konflikte verstärken, die die Bezie-hung zwischen der muslimischen Welt und demWesten trüben.

Auch wenn es verschiedene Spielarten gibt, sokann man doch sagen, dass Regierungsführung undder interne Entwicklungsprozess in den muslimi-schen Ländern im Allgemeinen mangelhaft sind,vor allem im Vergleich mit anderen Teilen derWelt, insbesondere aber mit den westlichen Län-dern. Alle muslimischen Länder sind Entwick-lungsländer. Diese Lage ist zum größten Teil selbst-verschuldet (z. B. durch falsche Wirtschaftspolitik,großzügige, aber kaum nachhaltige durch Ölein-nahmen finanzierte Sozialpolitik, ein schlechtesErziehungswesen, wenig entwickelte Informations-und Kommunikationstechnologie, ungenügendeProgramme zur Armutsbekämpfung, massive büro-kratische Ineffizienz, Korruption, eine Vernachläs-sigung der HIV/AIDS-Problematik und politischeUnterdrückung). Aber das ist es nicht allein. Diekoloniale Unterwerfung durch den Westen und dielange Ausbeutung der natürlichen Ressourcen sindsignifikante Faktoren, die dazu beigetragen haben.Eine ungerechte globale Wirtschafts- und politischeOrdnung, die die reichen und mächtigen Staatenbevorzugt und arme Länder benachteiligt, habendas alles noch verstärkt.

Die Bedeutung von Regierungsführung

Es gibt mehrere Definitionen von guter Regie-rungsführung. Bei globalen Vergleichen wird meistdie Definition des UNDP verwandt, des Entwick-lungsprogramms der Vereinten Nationen. Wir fol-gen hier dem „Arab Human DevelopmentReport“, den das UNDP 2002 veröffentlichte.Dort wird gute Regierungsführung beschrieben als„ein System von gesellschaftlichen Institutionen,das die Bevölkerung tatsächlich repräsentiert, miteinem festen Netzwerk institutioneller Regelun-gen und Verantwortlichkeiten (mit einer letztli-chen Verantwortlichkeit gegenüber der Bevölke-

rung) verwoben ist, dessen Ziel darin besteht, dieWohlfahrt für all seine Mitglieder zu verwirkli-chen“. Regierungsführung allgemein wird definiertals „die Ausübung wirtschaftlicher, politischer undadministrativer Autorität, um die Angelegenhei-ten des Landes zu steuern“. Sie umfasst nicht nurdie Regierungsführung durch den Staat, sondernauch durch den privaten Sektor und die Zivil-gesellschaft. Die Elemente der guten Regierungs-führung beinhalten die Verpflichtung auf dasöffentliche Wohl, die Herrschaft des Rechts, parti-zipatorische Regierung, Transparenz, Rechen-schaftspflicht und die Sorge um das Wohlergehender Armen und Benachteiligten.

Das UNDP klassifiziert lediglich fünf der Ländermit muslimischer Bevölkerungsmehrheit als solchemit hohem Standard bezüglich der „MenschlichenEntwicklung“ (Brunei, Bahrain, Kuwait, die Verei-nigten Arabischen Emirate und Katar). 24 Ländererreichen mittlere und 17 niedrige Standards. DasBruttoinlandsprodukt (BIP) liegt bei zwei Drittelnder muslimischen Staaten unter 5 000 US-Dollarpro Kopf. Die arabischen Staaten haben im Jahr2000 ein durchschnittliches Pro-Kopf-BIP von4 793 US-Dollar, trotz des Ölreichtums und hoherEinkommen in manchen Ländern. Im Gegensatzdazu sind Bürger der OECD-Länder fast fünfmalreicher, mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-BIP von 23 569 US-Dollar.

Obwohl es in der muslimischen Welt Gruppen vonsehr Reichen gibt und die Bevölkerung in einemLand wie dem ölreichen Brunei von der Regierunggut versorgt wird, bleiben Armut und Einkom-mensdisparität eine weit verbreitetes Merkmal.Auch wenn nicht alles mit mangelhafter Regie-rungsführung zu tun hat, so verschlimmern unge-nügende politische, ökonomische und sozialeRegierungsführung sehr oft die Lage.

Menschen, die in Armut leben

Statistiken über Armut sind nicht für alle muslimi-schen Länder verfügbar. Aber Armut ist tatsäch-lich in mindestens der Hälfte dieser Länder einernstes Problem. Der Bericht des UNDP über die„Menschliche Entwicklung“ in den arabischenLändern 2002 zeigt, dass Menschen, die unterhalbder Armutsgrenze von zwei US-Dollar Einkom-men pro Tag leben, zwischen 45 und 90 Prozentder Gesamtbevölkerung in Indonesien, Ägypten,Kamerun, Pakistan, Jemen, Bangladesch, Nigeria,Mauretanien, Senegal, Gambia, Mali, Äthiopien,Burkina Faso, Niger und Sierra Leone ausmachen.

Die Bildungsstatistiken sind ebenfalls gute Indika-toren für die Qualität der Regierungsführung und

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Entwicklung. In den meisten muslimischen Län-dern besteht eine sehr hohe Analphabetenrateunter Erwachsenen. Fast alle weisen mehr alszweistellige Raten auf, während in manchen musli-mischen Staaten in Afrika wie Senegal, Gambia,Mali, Tschad, Äthiopien und Niger über die Hälfteder über 15–Jährigen Analphabeten sind. In Län-dern, die durch extreme Armut, Hunger, Konflikteund Kriege gekennzeichnet sind, überraschendiese Zahlen nicht.

Was die politische Dimension angeht, so ist invielen muslimischen Ländern partizipatorischeRegierungsführung selten oder sie fehlt ganz. Poli-tische Rechte und Bürgerrechte sind häufig einge-schränkt. Das im Jahr 2001–2002 veröffentlichte„Survey of Freedoms“ vom Freedom House hatEnde 2001 festgestellt: „Es gibt keine wirklichenDemokratien in der arabischen Welt. Es existiertnur ein geringer Anteil von freien und demokrati-schen islamischen Staaten.“ Weiter heißt es darin,dass die Grundlagen für Freiheit und Demokratieam schwächsten in den 14 Ländern des NahenOstens sind (ohne Nordafrika). In der gesamtenmuslimischen Welt seien nur Mali und Senegal alsfrei zu bezeichnen. 18 Länder, darunter Jordanien,Kuwait, Türkei, Bangladesch, Indonesien undMalaysia, wurden als „teilweise frei“ klassifiziert.28 weitere, wie Algerien, Ägypten, Libyen, Bah-rein, Iran, Irak, Oman, Katar, Saudi-Arabien,Syrien, die Vereinigten Arabischen Emirate,Jemen, Brunei und Pakistan, wurden als „nichtfrei“ eingestuft. Auch wenn man die Kriterien undBewertungen von Freedom House in mancherleiHinsicht bezweifeln mag, so stellen diese Ergeb-nisse doch ein vernichtendes Urteil über den Standder politischen Regierungsführung im größten Teilder muslimischen Welt dar.

Der Mangel an Freiheit

Der Bericht der Entwicklungsorganisation derVereinten Nationen über die menschliche Ent-wicklung in der arabischen Welt beleuchtet dreiHauptdefizite in den arabischen Ländern, die auchin einigen nichtarabischen, muslimischen Staatenanzutreffen sind. Zuerst genannt wird der Mangelan Freiheit. Hier wiesen die arabischen Länder imVergleich zu den anderen sechs Weltregionen(Nordamerika, Ozeanien, Europa, Lateinamerikaund die Karibik, Süd- und Ostasien und Afrikasüdlich der Sahara) in den späten neunziger Jahrenauf einer Bewertungsskala den niedrigsten Punkte-stand auf, so auch in den Bereichen Artikulations-möglichkeiten und Rechenschaftspflicht“ (voiceand accountability). Hinsichtlich der Gleichbe-rechtigung von Frauen liegt die arabische Weltebenso an vorletzter Stelle wie beim KriteriumMenschliche Fähigkeiten/Wissen im Verhältnis

zum Einkommen, da das Bildungsniveau sehrniedrig und die Analphabetenrate hoch ist. Bei derInformations- und Kommunikationstechnologie(ICT) wurde sogar nur der letzte Platz erreicht –noch hinter Afrika südlich der Sahara.

Im „Korruptionsindex 2002“ von Transparency In-ternational (der den Korruptionsgrad misst, wie ihnGeschäftsleute, Akademiker und Risikoanalystensehen) hat Malaysia unter den muslimischen Län-dern am besten abgeschnitten (als das am wenigstenkorrupte muslimische Land), erreicht aber nur Rang33 unter 102 untersuchten Ländern. Auf Malaysiafolgen Tunesien (Platz 36), Marokko (Platz 52),Ägypten (62), Türkei (64), Senegal (66), Malawi(68), Usbekistan (68), Pakistan (77), Kasachstan(88), Aserbeidschan (95), Indonesien (96), Nigeria(101) und zum Schluss Bangladesch (102).

Mangelhafte Regierungsführung und Entwicklungin weiten Teilen der muslimischen Welt beeinflus-sen die Beziehungen zum Westen in vielen For-men. Sie tragen zum immensen Ungleichgewichtzwischen den muslimischen Ländern und den stär-ker entwickelten westlichen Nationen bei. DiesesUngleichgewicht ist zum Teil das Ergebnis dergroßen Unterschiede im wirtschaftlichen Gewichtund Reichtum zwischen beiden Seiten.

Ungleiche Beziehungen

Die Schwäche und Ohnmacht, die aus mangel-hafter Regierungsführung resultieren, haben dazubeigetragen, dass viele muslimische Staaten vonwestlicher Wirtschaftshilfe und in einigen Fällenvon Militärhilfe und westlichem Schutz abhängiggeworden sind. Das macht sie anfällig für Druckvor allem durch die Vereinigten Staaten, im Inter-esse des Westens zu agieren. Wenn sie dem nach-geben, stellen sie ihre Unabhängigkeit und Souve-ränität in Frage und opfern sowohl ihre eigenenInteressen als auch die ihrer muslimischen Bruder-nationen. Das spaltet und führt zu Verwirrung undKonflikten mit jenen Ländern der muslimischenWelt, die sich ein gewisses Maß an eigenem Willenerhalten konnten. Nirgendwo ist die Abhängigkeitund Schwäche so umfassend und so demütigendwie in der Palästinafrage, in der die arabische undmuslimische Welt sich bei der Vermittlung zualler-erst auf die USA verlassen müssen, den engstenVerbündeten und Unterstützer der gegnerischenSeite.

Schlechte Regierungsführung, weit verbreiteteVerletzung der Menschenrechte, repressive undundemokratische Herrschaft in einigen muslimi-schen Ländern vermitteln ein äußerst schlechtesBild von den muslimischen Staaten und führen zuberechtigter Kritik aus dem Westen, manchmalauch zu scharfen Vorwürfen, was die Beziehungen

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für Konflikte anfällig macht. Spannungen zwischendem Herrscher und der Bevölkerung schwächenunter diesen Umständen den Staat und seineFähigkeit, westlichem Druck zu widerstehen.Gescheiterte muslimische Staaten wie Afghanistankönnen dann unter dem Druck der schlechtenpolitischen und ökonomischen Bedingungen wei-che Ziele für Militärangriffe werden. Im Irak wer-den die Verbrechen, die das Regime Saddamsgegen das eigene Volk begangen hat, verstärkt alsArgument eingesetzt, um die Aggression gegendas Land zu rechtfertigen. Die umfassende politi-sche Unterdrückung und die Entfremdung bei denkurdischen und schiitischen Bevölkerungsgruppenhat Iraks Fähigkeit ernsthaft geschwächt, seineMöglichkeiten zur Verteidigung gegen die auslän-dische Aggression auszuschöpfen. Diese Faktorenhaben es andererseits den USA und Großbritan-nien erlaubt, die Feindseligkeiten und Differenzeninnerhalb Iraks für sich zu nutzen, wie sie es schonfrüher in Afghanistan getan hatten.

Auch wenn eine Verknüpfung von Islam bzw. mus-limischer Bevölkerung und schlechter Regierungs-führung sowie Unterentwicklung irrig ist – beidesexistiert in vielen Ländern, unabhängig von ihrerreligiösen Zusammensetzung –, so unterminierendiese Schwächen die Würde des Glaubens und derGläubigen und damit auch die Beziehungen zwi-schen der muslimischen Welt und dem Westen.

Der ungleiche Stand und der Charakter dieserBeziehungen, die teilweise entwürdigende Abhän-gigkeit zusammen mit den Erinnerungsresten ankoloniale Unterdrückung sowie das eigene Unver-mögen, erzeugen unter der muslimischen Bevölke-rung Ressentiments und Feindseligkeit gegen denWesten. Dieselben Faktoren stärken in einigenTeilen des Westens ein Gefühl von Überlegenheit,das manchmal an Verachtung und Arroganzgrenzt.

VI. Der 11. September 2001und die Folgen

Die terroristischen Anschläge des 11. September2001 haben eine Kette von Ereignissen ausgelöst,die den Beziehungen zwischen großen Teilen dermuslimischen Welt und vor allem den USA einenempfindlichen Schlag versetzt haben. Diese An-schläge waren motiviert durch die Politik der USAim Nahen Osten, vor allem ihre militärische Prä-senz in Saudi-Arabien und ihre Unterstützung fürIsrael im israelisch-palästinensischen Konflikt.Aber die Anschläge des 11. September und derdarauf folgende „Krieg“ gegen den Terrorismus,den die USA ausgerufen haben, der amerikanische

Angriff auf den Irak, stark unterstützt von Groß-britannien, Spanien, Australien und Israel, habenden kumulativen Effekt gehabt, die Feindseligkei-ten anzustacheln und die Kluft zwischen beidenSeiten zu vertiefen.

Die Angriffe gegen das World Trade Center inNew York und das Pentagon in Washington wur-den in der arabischen und muslimischen Welt fasteinhellig verurteilt. Die Ausnahme war vielleichtder Irak, wo wegen des durch die Invasion Kuwaitsausgelösten Krieges von 1991 Bitterkeit vor-herrschte. Die seit einem Jahrzehnt anhaltendenSanktionen, die auf Initiative der USA und unter-stützt von Großbritannien verhängt worden waren,mögen ebenso als Erklärung dafür dienen. Dierechtlich zweifelhafte Einrichtung einer Flugver-botszone durch beide Länder über die Hälfte desirakischen Territoriums trug dazu bei, diese Bitter-keit zu verstärken.

In der restlichen arabischen und muslimischenWelt waren die Menschen entsetzt über die Tragö-die des 11. September und trauerten mit dem ame-rikanischen Volk. Es gab jedoch ein stilles, in derRegel nicht ausgesprochenes Gefühl, dass dieUSA mit so etwas hätten rechnen müssen wegenihrer Nahostpolitik, ihres hegemonialen Verhal-tens, des Unilateralismus und der Arroganz, dievor allem mit der Administration von George W.Bush assoziiert werden. Diese Wahrnehmungbeschränkte sich jedoch nicht nur auf die musli-mische Welt, sondern war ein verbreitetes Gefühlunter den Bevölkerungen in China, Südkorea undvielen Ländern der „Dritten Welt“.

Der 11. September 2001 hat das Gefühl der Unan-greifbarkeit und Unverletzlichkeit in den USA zer-stört. Er markiert aber auch einen dramatischenWandel in der Wahrnehmung der muslimischenWelt durch die USA. Das tiefe emotionale undpolitische Trauma, das der Angriff der Al-Qaidaverursacht hat, entwickelte sich zu einem intensi-ven antiislamischen Gefühl sowohl bei der US-Administration als auch bei der Bevölkerung. Der„Krieg“ gegen den Terror wurde zu einem Kriegnicht nur gegen Al-Qaida, sondern gegen militanteund terroristische Bewegungen von Muslimen, ein-schließlich derer, die für eine objektiv gerechteSache wie Selbstbestimmung und gegen politischeUnterdrückung kämpfen. Unter diesen Bedingun-gen war es nicht schwer, gelegentlich Al-Qaida undTerrorismus allgemein mit dem Islam und den Mus-limen gleichzusetzen, obwohl es Terrorismus auchunter den Anhängern anderer Religionen gibt.

Die Gleichsetzung von Islam und Terrorismus

Der antiislamische Charakter des „Kampfs gegenden Terrorismus“ hat verschiedene Erscheinungs-

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formen. Eine ist die direkte oder indirekte Gleich-setzung des Terrorismus mit muslimischen Grup-pen und dem Islam. Hier bedeutet der „Kampfgegen den Terrorismus“ Kampf gegen muslimischeterroristische Organisationen. Solche Organisatio-nen bilden die Mehrheit in der vom US-Außenmi-nisterium veröffentlichten Liste internationalerTerrororganisationen. Die Aufnahme einiger nicht-muslimischer Terrororganisationen in dieser Auf-stellung hat nur Alibifunktion. Kontrollen an denGrenzübergängen und in den Konsulaten werdenam strengsten gegen Muslime durchgeführt. Ein-reisevisa für die USA sind für Männer aus einergroßen Zahl von arabischen und muslimischen Län-dern schwer zu bekommen. Die Sicherheitsbehör-den in den USA überprüfen die Araber und Mus-lime am schärfsten. Das unterscheidet sich von denEinwanderungskontrollen in Europa und anderswo,wo ethnisches und religiöses Profiling kaum einge-setzt wird (mit Ausnahme von Australien).

Die Wahrnehmungen des amerikanischen Kriegsgegen den Terrorismus als Krieg gegen Muslimewurden durch Washingtons beharrliche Weigerungverstärkt, gegen Israels Gewalt in Palästina vorzu-gehen. Die erfolglosen Bemühungen der Bush-Administration, Verbindungen zwischen dem ira-kischen Regime und dem Al-Qaida-Netzwerkoder anderen Terrorgruppen nachzuweisen, wer-den auch in diesem Lichte betrachtet.

Wir müssen jedoch konstatieren, dass Muslimeselbst dazu beigetragen haben, ihre Religion mitdem Terrorismus zu assoziieren. Anders als andereterroristische Bewegungen, die sich selten nachihrem jeweiligen Glauben definieren, beziehensich sogar die Namen verschiedener militanter isla-mischer Gruppen auf den Islam, so z. B. Hizbullahund die Djama‘a Islamiya. Häufig nennen sie alsZiel die Errichtung eines „islamischen Staates“.Die Assoziation von Muslimen mit Militanz, Waf-fen und Gewalt wird noch deutlicher, wenn diegewaltsame Form des Djihad ausgeübt wird undMassaker im Namen des Islam begangen werden.In all diesen Fällen wird der Islam lediglich usur-piert, um militanten und terroristischen Bestre-bungen zu dienen. Aber die Muslime müssen dieUrsache dafür, dass andere dazu verleitet werden,diese Bewegungen mit dem Islam zu identifizieren,auch bei sich selbst suchen.

Versagen bei der Behandlung der Wurzelndes Terrorismus

Es gibt grundsätzliche Unterschiede zwischen demAnsatz, den die muslimischen Staaten mit Nach-druck zur Bekämpfung des Terrorismus empfehlen,und der amerikanischen Herangehensweise. Dieamerikanische Politik wird von der muslimischen

Welt als lediglich gegen die Symptome gerichtetbetrachtet, nicht aber gegen die Wurzeln desTerrorismus. Hinzu kommt, dass die USA sich fastausschließlich auf militärische Strafaktionen kon-zentrieren, aber kaum politische und sozio-ökonomische Initiativen entwickeln, um die Men-schen für sich zu gewinnen und die grundlegendenProbleme, die den Nährboden des Terrorismus bil-den, anzugehen. Die muslimischen Regierungenbetrachteten den Terrorismus – zu Recht – als vorallem politisch motiviert. Deshalb bedarf er letztenEndes politischer Lösungen. Andererseits sah man,dass die USA nicht gewillt sind, den Terrorismuswirklich an seinen Wurzeln anzugehen, denn dashätte eine gründliche Änderung der amerikani-schen Politik vor allem im Nahen Osten nötiggemacht, insbesondere in Bezug auf den Palästina-konflikt. Wann immer die USA über die grundle-genden Ursachen sprachen, haben sie es sorgfältigvermieden, den Palästinakonflikt zu erwähnen, undstatt dessen ausführlich über andere Ursachengesprochen wie Armut, Mangel an Demokratie undislamischen Fundamentalismus.

Die Auseinandersetzung um den Angriff aufAfghanistan beleuchtet deutlich diese unterschied-lichen Auffassungen. Er sollte u. a. zur Zerschla-gung von Al-Qaida dienen und wurde von einigenmuslimischen Regierungen unterstützt, wie z. B.von Pakistan und den ehemaligen Sowjetrepubli-ken in Zentralasien, die Stützpunkte, Überflug-rechte, Geheimdienstinformationen und andereHilfeleistungen zur Verfügung stellten. Aber vieleandere arabische und muslimische Regierungen,darunter auch Indonesien und Malaysia (ebensodie Mehrheit der in diesen Ländern lebendenMenschen), die sich sonst an der Antiterrorkampa-gne beteiligten, betrachteten den Angriff als unnö-tig. Ihrer Auffassung nach würde ein militärischerAngriff auf Afghanistan ungeheures Leid und denTod vieler unschuldiger Menschen nach sich zie-hen, ohne die Gewähr zu bieten, dass Al-Qaidawirklich zerstört würde. Es herrschte sogar dieÜberzeugung vor, dass ein Angriff gegen das Landdas Problem des Terrorismus eher verschärfenwürde, indem er die Gefühle der Muslime ansta-chelt und die Reihen der terroristischen Organi-sationen auffüllt. Sogar muslimische Länder wiePakistan, die aktiv die Operationen der USA inAfghanistan unterstützt haben, waren der Mei-nung, dass nur eine Behandlung der Ursachen dieGeißel des Terrorismus beseitigen kann. Ihre Hal-tung war sehr verständlich, da ihre Bevölkerungenvollkommen gegen den Angriff waren und anti-amerikanische und antiwestliche Einstellungenzunahmen.

Das Ergebnis des Afghanistankrieges und desKampfs gegen den Terror haben bislang, nach

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Meinung der muslimischen Welt, diese Auffassungbestätigt. Der Al-Qaida sind Arme und Beinegebrochen worden, ihr sicherer Hafen in Afghanis-tan wurde zerstört, ihre Gastgeber, die Taliban,vertrieben und ihre Finanzierungsquellen nachund nach ausgetrocknet. Der verbliebene Restwird überall gejagt. Al-Qaida ist es ebenfalls nichtgelungen, die amerikanischen Truppen vom saudi-schen Boden oder sonstwo im Nahen Osten zuvertreiben. Auch hat sie die USA nicht davonabbringen können, arabische Despoten weiter zuhätscheln. Tatsächlich hat es sie dazu gebracht, dieautoritären muslimischen Regime in Zentralasienund Pakistan noch stärker zu unterstützen.

Der zweite Krieg gegen Irak (2003) hat den Zornder Muslime gegen die USA und ihre westlichenVerbündeten noch verstärkt und ihre Gefühleradikalisiert. Wahrscheinlich wird er die Reihender Militanten und Terroristen weiter anwachsenlassen. In der unmittelbaren Zukunft wird dieserKrieg im Wesentlichen die Feindseligkeit in denBeziehungen zwischen der muslimischen Welt undinsbesondere den USA definieren, neben derPalästinafrage. Je nachdem wie sich die Lage imIrak unter amerikanischer Besatzung entwickelt,könnten die Auswirkungen für beide Seiten katas-trophal werden, vor allem aber für die USA.

VII. Doppelstandards alsProvokation

Die muslimische Haltung gegenüber den USAwird von mehreren Faktoren bestimmt. Die USAhaben ihre politische Strategie im Falle des Irakmit der Behauptung gerechtfertigt, er sei eineBedrohung für seine Nachbarn und für die USAselbst und er verfüge über Massenvernichtungsmit-tel. Die USA und ihre Verbündeten haben aberweitere UN-Waffeninspektionen für sinnloserklärt und abgelehnt. Sie bestanden auf einenRegimewechsel und strebten angeblich die Befrei-ung Iraks von seinem „bösen“ Herrscher an, umeine Demokratie im Land aufzubauen. Wie vieleauf der Welt fragte sich die Mehrheit der Muslime,warum, wenn der Irak so eine Bedrohung darstellt,es die USA sind, die besorgt waren, und nichtseine Nachbarn? Die UN-Inspekteure untersuch-ten gerade – und mit Erfolg – den Vorwurf, Irakbesitze Massenvernichtungswaffen. Sie machtenFortschritte, wenn auch langsam. Warum alsosollte man den Inspekteuren nicht erlauben weiter-zuarbeiten, bis klar geworden wäre, ob der Iraküber Massenvernichtungswaffen verfügte?

Die muslimische Welt sieht auch andere Fälle vondoppeltem Maßstab und Widersprüchlichkeit inder Haltung der USA. Sie vergleicht WashingtonsVorgehen im Irak mit dem gegenüber Nordkorea,das zugegeben hat, bereits Nuklearwaffen zu besit-zen, Raketentests durchgeführt und die UN-Beob-achter des Landes verwiesen hat. Hier sagt dieBush-Administration, Diplomatie sei immer nochdie geeignete Antwort. Die muslimische Weltzieht daraus den Schluss, dass Irak aus einer Reiheanderer Gründe ins Visier genommen wurde: Eshandelte sich um eine „offene Rechnung“ für dieUSA; es ist ein muslimisches Land; es besitzt diezweitgrößten Erdölreserven der Welt; es hat dasgrößte Potential in der arabischen Welt, um gegenIsrael vorzugehen; die Besetzung Iraks ist wahr-scheinlich Teil eines größeren Plans, der die strate-gische Kontrolle über den Nahen Osten und Zen-tralasien anstrebt.

Wie die übergroße Mehrheit der Länder und Völ-ker dieser Welt sahen die Muslime diesen Krieggegen den Irak unter Führung der USA als voll-kommen unnötig, ungerecht und ohne jeglicheLegitimation an, da der Einsatz von Gewalt nichtvom UN-Sicherheitsrat autorisiert worden war.Die neue US-Doktrin der „vorbeugendenSchläge“ (pre-emptive strikes, nach der neuen„Nationalen Sicherheitsstrategie der USA“ vomSeptember 2002) wird in den meisten muslimi-schen Ländern verurteilt. Auch wenn ihre Regie-rungen das anders sehen mögen, betrachten vieleVölker die USA als eine Bedrohung für den Welt-frieden und die internationale Ordnung, da sie dasVölkerrecht und die internationalen Normen miss-achten, wenn sie nicht ihren eng definierten Hege-monialinteressen entsprechen.

Hier ist die Feindseligkeit nicht gegen den Westeninsgesamt gerichtet, da viele westliche Länder undVölker auch gegen den Krieg waren. Sie richtetsich nur gegen die USA und ihre Verbündeten.Auch in dieser Hinsicht hat der Krieg gegen Irakdas Bild des Westens in der muslimischen Weltverändert. Er (der Westen) wird nicht länger,zumindest in dieser wichtigen Frage, als einheitli-cher Block und gleichmäßig feindselig gegenübermuslimischen Interessen angesehen. Immerhinstanden eine Reihe wichtiger Staaten im Westen –wie Frankreich und Deutschland – und viele Men-schen in der gesamten westlichen Welt in Verteidi-gung einer gemeinsamen Sache auf Seiten dermuslimischen Welt. Auch sie teilten das Gefühlvon Ohnmacht und Hilflosigkeit, das die muslimi-sche Welt angesichts der erlebten Ungerechtigkeitdurch die amerikanischen Politik bereits langekennt.

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Rafik SchamiRafik Schami, geb. 1946 in Damaskus; seit 1971 inDeutschland; Studium und Promotion in Chemie;seit 2002 Mitglied der Bayerischen Akademie derSchönen Künste.

Veröffentlichungen u. a.: Die Sehnsucht derSchwalbe, München 2000; Mit fremden Augen, Hei-delberg 2002; (zus. mit Root Leeb) Farbe der Worte,Cadolzburg 2002.

Salwa BakrGeb. 1949 in Ägypten; Schriftstellerin in Kairo.

Basem EzbidiGeb. 1960 in Palästina; Professor für Politikwissen-schaft an der An-Najah National University inNablus/Palästinensische Autonomiegebiete.

Dato‘ Mohammed Jawhar HassanGeb. 1944 in Malaysia; Direktor des Institute ofStrategy and International Studies (ISIS) Malaysia.

Fikret KarcicGeb. 1955 in Bosnien-Herzegowina; Professor ander Fakultät für Islamische Studien in Sarajewo undan der Fakultät für Rechtswissenschaften der Univer-sität Sarajewo.

Hanan Kassab-HassanGeb. 1952 in Syrien; Beraterin und Koordinatorin fürKulturveranstaltungen des Französischen Kulturzen-trums in Syrien.

Mazhar ZaidiGeb. 1973 in Pakistan; Journalist und Filmemacher,zur Zeit bei der BBC London.

Sabine RiedelDr. phil. habil., geb. 1956; zurzeit Professorin fürPolitikwissenschaft an der Universität München.

Anschrift: Geschwister-Scholl-Institut für PolitischeWissenschaft, Universität München, Oettingenstr.67, 80538 München.E-Mail: [email protected]: [email protected]

Veröffentlichung u. a.: Die Erfindung der Balkanvöl-ker. Identitätspolitik zwischen Konflikt und Integra-tion, Opladen 2003 (i. E.).

Ulrike FreitagDr. phil., geb. 1962; Professorin für Islamwissen-schaft an der Freien Universität Berlin und Direktorindes Zentrums Moderner Orient in Berlin.

Anschrift: Zentrum Moderner Orient, Kirchweg 33,14129 Berlin.E-Mail: [email protected]

Zahlreiche Veröffentlichungen über den Islam in derarabischen Welt in Fachzeitschriften.

Bernhard J. TrautnerDr. rer. pol., geb. 1964; 2001–2003 Senior ResearchFellow am Zentrum für Entwicklungsforschung derUniversität Bonn, zuletzt Vertretungsprofessur fürPolitikwissenschaft und Politikmanagement an derHochschule Bremen.

Anschrift: Hohle Gasse 12, 53177 Bonn.E-Mail: [email protected]

Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Soziologieund Kultur der islamischen Welt.

Roman LoimeierDr. phil. habil., geb. 1957; seit 2000 Leiter des Teil-projekts C4 „Islamische Bildung in Ostafrika“ imRahmen des Kulturwissenschaftlichen Forschungs-kollegs an der Universität Bayreuth.

Anschrift: Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Islam-wissenschaft, 95440 Bayreuth.E-Mail: roman.loimeier@ uni-bayreuth.de

Zahlreiche Veröffentlichungen zu den islamischenGesellschaften Afrikas.

Michael LüdersDr. phil., geb. 1959; langjähriger Nahost-Redakteurder Wochenzeitung Die Zeit; seit 2002 Politikberaterder Friedrich-Ebert-Stiftung, Publizist und Autor.

Anschrift: Friedrich-Ebert-Stiftung, Hiroshimastr. 17,10785 Berlin.E-Mail: [email protected]

Zahlreiche Veröffentlichungen zu Fragen des Islam;zuletzt erschienen: Tee im Garten Timurs. Die Krisen-gebiete nach dem Irak-Krieg, Hamburg 2003.

Nächste Ausgabe

Wolff Grabendorff EssayDie Afrikanisierung Lateinamerikas

Michael KrennerichDemokratie in Lateinamerika – eine Bestands-aufnahme nach der Wiedergeburt vor 25 Jahren

Heinrich-W. KrumwiedeArmut in Lateinamerika als soziales undpolitisches Problem

Detlef Nolte/Anika OettlerLateinamerika: Der vergessene Hinterhof der USAoder eine weitere Front im Krieg gegen deninternationalen Terrorismus?

Hartmut SangmeisterGanz Amerika unter dem Sternenbanner?Das Projekt einer gesamtamerikanischenFreihandelszone aus lateinamerikanischer Perspektive

Susanne GratiusSpielt Europa in Lateinamerika noch eine Rolle?

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Rafik Schami EssayEin arabisches DilemmaAus Politik und Zeitgeschichte, B 37/2003, S. 3 – 5

� Die arabischen Familien und Sippen waren einst fürdas Überleben in einer lebensfeindlichen Umgebung not-wendig. Heute jedoch stellen sie einen Hemmschuh fürdie Demokratisierung der arabischen Gesellschaft dar.Diese Sippen überwinden können weder Fundamentalis-ten noch fremde Armeen, sondern allein die Demokratie,weil sie auf das Individuum setzt und dieses achtet.

Salwa Bakr/Basem Ezbidi/Dato‘ MohammedJawhar Hassan/Fikret Karcic/Hanan Kassab-Hassan/Mazhar ZaidiDie muslimische Welt und der WestenAus Politik und Zeitgeschichte, B 37/2003, S. 6 – 14

� Der Beitrag beschreibt die Beziehungen zwischen dermuslimischen Welt und dem Westen. Sechs Intellektuelleaus dem Nahen Osten, aus Europa und Süd- bzw. Süd-ostasien kommen trotz verschiedener historischer, kultu-reller, ethnischer und sprachlicher Hintergründe zubemerkenswerten Ähnlichkeiten in ihren Auffassungenüber grundlegende Fragen, welche die Beziehungen zwi-schen der muslimischen und der westlichen Welt bestim-men. Die Autor/innen betonen die Unterschiedlichkeit,die sowohl für die westlichen als auch für die muslimi-schen Staaten gilt. Ein Element des Konfliktes entspringteiner Dichotomie in der Denkweise zwischen Fanatikernund Aufklärern auf beiden Seiten.

Sabine RiedelDer Islam als Faktor in der internationalenPolitikAus Politik und Zeitgeschichte, B 37/2003, S. 15 – 24

� Der Beitrag setzt sich mit dem Bild des Islam als einer„kriegerischen und theokratischen Religion“ auseinan-der. Wie der Vergleich von Regierungssystemen derislamischen Welt zeigt, ist die mittelalterliche Symphoniezwischen Staat und Religion seit der Moderne nichtmehr existent. Re-Islamisierungsprozesse führten in eini-gen Staaten zu einer Herrschaft des Klerus über die Poli-tik, in den meisten Fällen jedoch zu einer Instrumentali-sierung der Religion durch politische Eliten. Aus Gründenihres Machterhalts duldeten oder förderten sie teils mitUnterstützung westlicher Staaten islamistische Bewegun-gen und trugen so zur Entstehung terroristischer Netz-werke bei.

Ulrike FreitagDer Islam in der arabischen WeltAus Politik und Zeitgeschichte, B 37/2003, S. 25 – 31

� Die dominierende Religion in der arabischen Welt istder Islam, der allerdings vielerlei Ausprägungen hat. Poli-tisch fallen heutzutage besonders die Islamisten auf, dieunter Rückgriff auf die Frühzeit des Islam argumentieren,ein geschlossenes System zur Lösung aller politischen

Probleme anbieten zu können. Ein genauerer Blick aufGeschichte und Gegenwart zeigt allerdings, dass dieseBehauptung historisch nicht haltbar ist. Insofern über-rascht es auch nicht, wenn die Islamisten auf unter-schiedliche Herausforderungen verschiedene Antwortengeben. Ihr religiös begründeter Anspruch, eine autorita-tive Lösung anbieten zu können, stellt allerdings bei derBewältigung aktueller Herausforderungen ein erhebli-ches Problem dar.

Bernhard J. TrautnerZum „peripheren Islam“ in SüdostasienAus Politik und Zeitgeschichte, B 37/2003, S. 32 – 40

� Der Beitrag beschreibt die Rolle des Islam in Politik undNation-building in den beiden größten muslimischenStaa-ten Südostasiens, Indonesien und Malaysia. Die Exklusiondes Islam aus der indonesischen Politik und dem öffentli-chen Leben bei einem muslimischenAnteil an der Gesamt-bevölkerung von über 80 Prozent ähnelt bekanntenMustern im Kernraum der islamischen Welt wie in den ara-bischenStaaten oderder Türkei. In einem ethnisch-konfes-sionellen Umfeld, in dem sich eine leichte Bevölkerungs-mehrheit der malaiischen Muslime gegenüber denchinesisch- und indischstämmigen Minderheiten ökono-misch benachteiligt sieht, lässt sich dagegendie eher inklu-sive Haltung des malaysischen Staatsführers Mahathirgegenüber dem Islam als komplementärer Bestandteileiner eigenständigen und leidlich erfolgreichen Entwick-lungs-undNation-building-Strategieinterpretieren.

Roman LoimeierDer Islam im subsaharischen AfrikaAus Politik und Zeitgeschichte, B 37/2003, S. 41 – 48

� Nach zum Teil mehr als 1200 Jahren der Islamisierungsind heute fast die Hälfte aller Afrikaner Muslime, undfast ein Drittel der heutigen islamischen Weltgemein-schaft setzt sich aus afrikanischen Muslim/innen zusam-men. Dabei präsentiert sich der Islam in Afrika ebensowie in anderen Teilen der islamischen Ökumene als einbreites Spektrum unterschiedlichster lokaler Kontextuali-sierungen des Bezugsrahmens Islam, eine Vielfalt, dieauch im 20. Jahrhundert im Kontext der Entwicklungislamischer Reformbewegungen in Afrika nicht geringergeworden ist.

Michael LüdersMacht und Glauben in ZentralasienAus Politik und Zeitgeschichte, B 37/2003, S. 49 – 54

� Spätestens seit dem 11. September 2001 ist Zentral-asien ein Schauplatz der Weltpolitik. Da die Region anAfghanistan grenzt, ist sie geopolitisch von größtem Inter-esse für die Antiterrorkoalition, die dort tausende Solda-ten stationiert hat. Extreme Armut, politische Instabilität,Repression und zügellose Selbstbereicherung der Macht-haber sind die Ursachen für den wachsenden Einflussradikaler islamischer Bewegungen, die seit dem Ende derSowjetunion auch in Zentralasien im Aufwind sind.


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